Glaubenssätze und ihre Wirkung

Lesezeit: 6 minuten

Wer schon mal von ihnen gehört hat, der weis vermutlich, dass es negative und positive Glaubenssätze gibt. In diesem Beitrag möchte ich meinen persönlichen Weg mit euch teilen, wie ich meine tiefsten Überzeugungen erforscht habe. Außerdem werde ich euch Tipps mit an die Hand geben, wie auch ihr diesen Prozess meistern könnt.

Dieser Beitrag wurde von Ronja geschrieben


„Ich bin nicht gut genug. Ich muss immer alles perfekt machen. Keiner mag mich.“ Kennt ihr vielleicht den ein oder anderen Gedanken, der in euren Köpfen herumschwirrt und euch regelrecht runterzieht? Genau das bewirken Glaubenssätze, besser gesagt: negativ verankerte Glaubenssätze. Wie in dem Wort schon drinsteckt, geht es hier ums Glauben. Denn was der eigene Kopf zu einem sagt, das glaubt man in der Regel auch. Allerdings trifft diese Stimme häufig falsche Annahmen, die sie einst, meist in der Kindheit, irgendwo aufgegriffen hat. Sie beharrt darauf, uns immer wieder diese vermeintlichen Wahrheiten aufzudrängen. Das Gute an der ganzen Sache: wir können aktiv etwas gegen sie unternehmen und unsere Prägung ändern. Nach ein bisschen Arbeit können wir sogar ganz schön davon profitieren. Wie negative Glaubenssätze euer Erleben beeinflussen und wie ihr ihnen den Kampf ansagen könnt, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Eine Reise zu meinen innersten Überzeugungen

Zum ersten Mal Kontakt mit ihnen hatte ich mit 18 Jahren, während ich mich in meiner ersten stationären Therapie befand. Noch nie zuvor hatte ich von ihnen gehört. Geschweige denn wusste ich, dass sich einige bereits seit vielen Jahren in mir verborgen hielten. Anfangs fiel es mir schwer, sie gemeinsam mit meiner damaligen Therapeutin zu identifizieren. Doch es gibt Hinweise, die bei dieser Entdeckungsreise behilflich sein können.

Während meiner Selbstreflexion fragte ich mich, welche Überzeugungen ich sowohl über mich selbst als auch über die Welt hatte. Negative Glaubenssätze sind oft durch absolute Aussagen wie „müssen“, „niemand“, „nie“ usw. geprägt. Diese Erkenntnis half mir dabei, meine Forschung allmählich einfacher zu gestalten. Ich sollte herausfinden, dass ich mich häufig in die Opferrolle begeben habe, ohne zu bemerken, dass ich mir selbst im Weg stand.

Die Annahme, dass mich niemand mögen würde, hat mich jahrelang daran gehindert, neue Freundschaften zu knüpfen. Leider wurde meine Überzeugung tatsächlich wahr – ein Phänomen, das als „selbsterfüllende Prophezeiung“ bekannt ist. Dabei handelt es sich um die Wirkung von Glaubenssätzen: eine Vorstellung über die Zukunft, die bewirkt, dass der/die Betroffene sein Verhalten und Erleben so anpasst, dass diese Vorstellung tatsächlich zur Realität wird.

Durch meinen negativen Glaubenssatz strahlte ich wohl eine abweisende Haltung aus, was andere Menschen davon abhielt mich näher kennenzulernen.

Erforscht die Wurzeln eurer Glaubenssätze

Schön und gut, nun haben wir einen meiner negativen Glaubenssätze entlarvt, aber was nun? Er wird sich ja wohl nicht von heute auf morgen in Luft auflösen… Ganz so einfach ist es leider auch nicht. Dennoch gibt es Möglichkeiten, wie wir an ihnen arbeiten können, um letztendlich sogar von ihnen zu profitieren.

Die Überzeugung, dass mich niemand mögen würde, scheint ihren Ursprung in meiner Jugendzeit zu haben. Damals bestimmte meine Borderline-Persönlichkeitsstörung mein Leben und meine Gedankenwelt. Im Alter zwischen 15 und 18 Jahren hatte mich die Krankheit voll und ganz im Griff. So war mein Leben von Selbstzweifeln, Unsicherheiten und einigen negativen Grundannahmen über mich selbst geprägt.

Während meines Aufenthalts auf einer DBT-Station (Dialektisch-Behaviorale Therapie – eine speziell für die Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelte Therapieform) lernte ich, dass es einen Kritiker:in in mir gibt, der mich einschränkt. Dieser nutzt jede Gelegenheit, mir seine negativen Gedanken durch den Kopf zu jagen.

Ich begann allmählich, diese Annahmen über mich selbst zu hinterfragen. Außerdem prüfte ich, ob es tatsächlich Beweise für ihre Berechtigung gab. Dabei stellte ich fest, dass sich viele Situationen, in denen meine negativen Glaubenssätze aktiv wurden, auch anders erklären ließen. So wurde deutlich, dass es selten die anderen waren, die mich ablehnten. Die eigentliche Herausforderung lag bei mir, da ich mich selbst nicht annehmen konnte, so wie ich war.

Mein damaliger Selbsthass und mein innerer Kritiker:in spielten ein gemeinsames Spiel, das mich nahezu handlungsunfähig machte. Diese Erkenntnis war der entscheidende Wendepunkt für die Veränderung meines negativen Denkens. Statt „Niemand mag mich“, war die eigentliche Annahme „Ich mag mich nicht“ – und diese Einstellung konnte ich tatsächlich beeinflussen.

Natürlich konnte ich nicht mit dem Finger schnipsten und plötzlich würde ich anfangen mich selbst zu mögen. Doch ich hatte endlich einen konkreten Anhaltspunkt, an dem ich gezielt arbeiten konnte: Selbstliebe.

Eine inspirierende Wandlung vom Negativen zum Positiven

Wie bereits erwähnt, ist es unrealistisch, einen derart tief verwurzelten Gedanken im Handumdrehen ins Positive zu verwandeln. Doch wenn ihr mein Lebensmotto „step by step“ beherzigt, werdet ihr bald erkennen, dass uns die kleinen Veränderungen dem Ziel näherbringen.

Anstatt mich auf das Negative zu konzentrieren, lenkte ich meinen Fokus in eine andere, damals unbekannte Richtung: Positive Glaubenssätze, auch als Affirmationen bekannt, sind ermutigende Gedanken und Überzeugungen, die wir über uns selbst und die Welt hegen. Durch die Arbeit mit Glaubenssätzen und bewusster Wiederholung können sie das Unterbewusstsein positiv beeinflussen und negative Selbstzweifel überwinden, um ein erfüllteres Leben zu führen.

Gab es denn irgendeine Kleinigkeit an mir, die ich nicht so schlimm fand oder vielleicht sogar ein bisschen mochte? Es erforderte einiges an Zeit und Überwindung, doch ich kam zu dem Entschluss, dass ich meine Augen ganz schön fand (äußerliche Eigenschaft). Zudem betrachtete ich es als positiv, einen respektvollen Umgang mit anderen Menschen zu pflegen (innerliche Eigenschaft).

Während des gesamten Prozesses war die professionelle Unterstützung für mich von großer Bedeutung. Sie half mir, nicht vorzeitig das Handtuch zu werfen und alte Denkmuster wieder aufleben zu lassen. So tastete ich mich schrittweise vorwärts, wiederholte den neuen Glaubenssatz immer und immer wieder. Ich hängte ihn als Zettel an den Spiegel und ja: fühlte mich auch oft sehr komisch dabei, etwas zu sagen, von dem ich noch nicht vollständig überzeugt war.

Durch jahrelange Übung und viel Geduld habe ich heute folgende positive Glaubenssätze verinnerlicht: „Es muss mich nicht jeder einzelne Mensch da draußen mögen.“ und „Ich mag vielleicht nicht ganz „normal“ sein, aber genau das macht mich einzigartig. Die Menschen, die mir wirklich wichtig sind, schätzen mich gerade deshalb.“

Auch heute noch meldet sich mein:e alte:r Begleiter:in „Niemand mag dich“ hin und wieder zurück. Dann mache ich einen kurzen Realitätscheck und erinnere mich an all meine neu gewonnenen Erfahrungen der letzten Jahre. Diese beweisen, dass er im Unrecht ist und somit auch wieder Leine ziehen darf.

Tipps für eure Transformation

Wie zu Beginn angedeutet, trug ich damals einige dieser negativen Glaubenssätze mit mir herum. Über eine lange Zeit hinweg hegte ich die feste Überzeugung, dass es mir niemals gelingen würde, diese loszuwerden. Noch weiter entfernt lag die Vorstellung, sie durch Positive zu ersetzen. Wie das Wort „niemals“ verriet, lag diesem Gedanken offensichtlich ebenfalls ein Glaubenssatz zugrunde, den ich zuerst angehen durfte. Mittlerweile würde ich sagen, durchaus erfahren darin zu sein, solche Grundannahmen zu verändern. Dies ermutigt mich dazu, diesen Beitrag zu verfassen und einige meiner Tipps mit euch zu teilen:

Schafft Bewusstsein:

  • Macht euch bewusst, dass Zeit ein entscheidender Faktor bei der Arbeit an Glaubenssätzen ist. Sowohl die Welt als auch ihr selbst unterliegt einem ständigen Wandel – nichts bleibt wie es ist.
  • Möglicherweise verbirgt sich hinter diesen Gedanken mehr, als euch bewusst ist. Eine professionelle Unterstützung kann euch auf eurem Weg von großem Nutzen sein, um diese verborgenen Aspekte besser erkunden und eure innere Einstellung verstehen zu können.
  • Wird euch bewusst, dass ihr euch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen möchtet, empfehle ich euch einmal bei unserem Mental Health Guide vorbeizuschauen. Er beschäftigt sich im Modul „Beziehung zu mir“ unter anderem auch mit Glaubenssätzen.

Erforscht die Kraft der Geduld und des Vertrauens:

  • Experimentiert mit dem nachhaltigen „step by step“ Prinzip statt nach sofortigen Veränderungen zu streben. Beobachtet mal, wie es sich auf euch auswirkt.
  • Falls er euch anspricht, könnt ihr diesen kraftvollen Glaubenssatz ausprobieren, der meine Weltansicht grundlegend verändert hat und mich in schwierigen Zeiten mit Zuversicht erfüllt: „In mir ruht ein tiefes Urvertrauen in die Welt, mein Leben und mich selbst.“

Übung macht den Meister:

  • Seid mutig: Denkt und handelt bewusst entgegengesetzt sobald euer negativer Glaubenssatz auftaucht. Wie habt ihr euch währenddessen und danach gefühlt? Und wie haben eure Mitmenschen auf diese neue Haltung reagiert? Hat euch ein Glaubenssatz schon mal von eurem Glück abgehalten?
  • Schafft euch einen sichtbaren Reminder für euren neuen, positiven Glaubenssatz. Notiert ihn auf einem Zettel und platziert ihn an verschiedenen Stellen, um ihn allmählich zu verinnerlichen. Mögliche Orte: Wohnungstür, Badezimmerspiegel, Kühlschrank, Kleiderschrank, Laptop
  • Entzieht eurem negativen Glaubenssatz seine Macht. Geht humorvoll an ihn heran und verknüpft ihn mit einer amüsanten Kopfkino-Szene. Somit könnt ihr die Schwere und Ernsthaftigkeit der Situation oder des Gefühls abschwächen. Stellt euch beispielsweise vor, ein Affe mit quietschiger Stimme und einer Banane als Pistole auf euch gerichteten in der Hand, versucht euch mit eurem Glaubenssatz zu verärgern. Gelingt es ihm oder müsst ihr eher schmunzeln?

Macht den Realitäts-Check:

  • Sobald ihr einen eurer negativen Glaubenssätze erkennt, probiert euch von dem Gefühl, das ihn ausgelöst hat, zu distanzieren. Betrachtet die Situation aus einer neutralen Perspektive – sucht nach anderen möglichen Erklärungen, um herauszufinden, ob eure Annahme wirklich gerechtfertigt ist

Ideen für eure inspirierenden Affirmationen:

  • Einer der Vorteile der heutigen Zeit: das Internet… warum nicht nutzen, um zahlreiche Ideen für positive Glaubenssätze zu entdecken?
  • Fragt man konversationsfähige KI-Systeme nach Beispielen, kommen schon einige gute Antworten dabei heraus. Fragt man sie jedoch gezielt nach rockigen/spirituellen Glaubenssätzen, können sie einem richtig coole Ideen vorschlagen.

Der erste step auf eurem Abenteuer ist vollbracht

Wenn ihr diese Worte lest, seid ihr nicht nur fast am Ende dieses Artikels angekommen. Ihr habt auch gleichzeitig den ersten Schritt vollendet, eure eigenen Glaubenssätze zu erkunden. Wie bei so vielem liegt der Schlüssel hier im Bewusstsein. Ihr dürft euch also einmal kräftig auf die Schulter klopfen und dafür danken, euch mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Die Arbeit an unseren negativen Glaubenssätzen kann am Ende so viele großartige Veränderungen bewirken. Sie hat das Potenzial, unsere Sicht auf viele Aspekte des Lebens zu revolutionieren. Es ist erstaunlich, welche positiven Auswirkungen der Weg der Selbstreflexion und des Wachstums mit sich bringen kann.

Blicke ich nun 8 Jahre zurück in die Zeit, in der ich das erste Mal mit diesem Teil von mir konfrontiert wurde, erfüllt mich eine Faszination. So vieles ist möglich, wenn man an seinen Herausforderungen dranbleibt, anstatt aufzugeben. Was mich noch mehr beeindruckt, sind die vielen wundervollen Lebenserfahrungen, die ich in diesen Jahren sammeln durfte. Begleitet von Menschen, die heute wahrscheinlich nicht an meiner Seite wären, hätte ich mich damals nicht getraut, umzudenken.

Es ist erstaunlich, wie die Entscheidung, meine Denkweise zu verändern, mir so viele bereichernde Begegnungen und Momente geschenkt hat. Einige davon hätte ich sonst wohl verpasst. Glaubenssätze haben eine unglaubliche Macht über die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalten. Die aufregende Reise meiner persönlichen Entwicklung hat mich und mein Leben auf so eindrucksvolle Weise geprägt, dass ich keinen einzigen Augenblick davon vermissen möchte.

Möglichkeiten über Möglichkeiten

Lesezeit: 5 minuten

„Ist doch toll, was Ihr heute so für Möglichkeiten habt – das gab’s bei uns früher alles nicht.“ So leicht die Situation für Menschen aus anderen Generationen aussehen kann, so schwer kann genau dieses Überangebot an Optionen auf’s Gemüt, auf die Seele, auf die Mental Health schlagen. Wie es sich als junger Mensch anfühlt, in diesem Möglichkeiten-Meer fast unterzugehen; was dabei hilft, wieder Orientierung zu finden – darum geht’s in diesem Post.

Ein Beitrag von Emmy. Erst war es nur ein Praktikum, dann wurde eine Werkstudentenstelle draus und mittlerweile haben wir das große Glück, dass Emmy schon seit mehreren Monaten das Mental Health Crowd-Team mit ihrer Arbeit, ihren Ideen, ihren Worten und ihren Perspektiven bereichert.


28.06.2019: Ich bekomme mein Abiturzeugnis in die Hand gedrückt. Auf dieses Blatt Papier habe ich ganze 12 Jahre hingearbeitet. So einiges habe ich erlebt. Viele positive, aber auch einige negative Erfahrungen wurden gesammelt. Freunde gefunden und Freunde verloren. Meine erste „6“ geschrieben und meine zweite. Rotz und Wasser wegen Mathe geheult. Mit Freunden ein Zimmer auf Klassenfahrt geteilt. 12 Jahre klangen am Anfang unfassbar lang, doch sie waren schneller um, als ich gucken konnte.

„Was willst du werden, wenn du mal groß bist?“

Im Kindergarten wollte ich ein „wilder Kerl“ werden. In der Grundschule Tierärztin. Doch je näher ich meinem Abschluss kam, desto weniger Ambitionen hatte ich, etwas Bestimmtes zu erreichen oder gezielt einer Karriere nachzugehen.

Die Frage „Was machst du nach dem Abitur?“ ging mir von Mal zu Mal mehr auf die Nerven. Ich hatte keine Antwort darauf und was auch immer ich auf diese Frage entgegnete – ich war nie zufrieden damit. Es war schwer für mich nachzuvollziehen, wie andere in meinem Alter bereits zu diesem Zeitpunkt ein genaues Ziel vor Augen haben konnten. Sie wussten im Detail, ab wann sie wo sein wollen und wussten auch zu berichten, auf welche Weise sie dies bewerkstelligen würden. Jedenfalls wirkte es so auf mich – doch dazu später mehr…

Und was jetzt?

Kurz und gut, bzw. damals gefühlt schlecht: 2019 war ich frische 18 Jahre alt und hatte wirklich überhaupt keinen Plan, wie es für mich weitergehen sollte. Die Gegenwart des Sommers wurde in vollen Zügen genossen, die Zukunft und die nervige Fragerei nach derselben erstmal ausgeblendet. Später füllte ich meine Tage mit Minijobs, aber es half nichts: Perspektivlos zu sein und ins Nichts zu arbeiten fühlte sich nicht gut an.

Ich wollte ein Ziel vor Augen haben, genau wie die, die ich immer beneidet hatte. Doch da war dieses Gefühl von Unsicherheit, Angst und Ohnmacht. Ich versuchte meine Interessen und Talente zu entlarven. Stellte mir tausend und einmal die Frage, was mich glücklich machen würde und hatte so einige Ideen, die sich wieder in Luft auflösten.

Meine Eltern haben mir nie großen Druck gemacht, sie wollten nur, dass ich etwas mit meiner Zeit anstelle. Der Druck kam von mir selbst. Ich hatte das Gefühl, von den ganzen Möglichkeiten erschlagen zu werden. Es war anstrengend bei all den denkbaren Richtungen die richtige Abzweigung zu wählen. Ich war der Überzeugung, dass der von mir gewählte Weg in Stein gemeißelt sein würde. No Return! No come back! Deshalb traute ich mich nie, mich zu 100% zu entscheiden.

Meer an Möglichkeiten

Meine Angst nahm mir die Freude an dieser eigentlich so spannenden und schönen Zeit. Ich hielt mich selbst viel zu klein und erlaubte mir nicht, mir ausreichend Raum zu nehmen. Durch meine Unsicherheit konnte ich meine eigenen Privilegien nicht erkennen und wertschätzen. Meine Kreativität, die ich mir inzwischen als große Stärke zu sehen erlaube, schrumpfte nach und nach.

Ich fing an Jura zu studieren. Nach 2 Wochen brach ich das Studium ab. Danach wollte ich Maskenbildnerin werden, machte eine dreimonatige Ausbildung zur Make-up Artistin. Eine Bewerbungsmappe habe ich nie abgegeben. Später wollte ich Soziale Arbeit studieren, aber auch daraus wurde nichts. Wie man sieht: Die Mischung könnte nicht bunter sein.

Aber das war gut so. Ich habe all meine Interessen erkundet, in mich hineingehört, in der Realität ausprobiert. Oft war ich noch streng zu mir selbst und verurteilte meine Meinungsänderungen. Doch nach und nach wurde ich freundlicher im Umgang mit mir selbst. Ich gestand mir selbst Zeit zu.

Es stellte sich heraus, dass diese Zeit von Suchen, Lernen, Fehlermachen unfassbar wertvoll für mich war und heute noch ist. Mir wurde klar, dass es normal ist, hin und wieder an sich und seinem Weg zu zweifeln.

MEIN Weg

Nach meiner bunten und aufregenden Reise entschied ich mich für ein Psychologiestudium. Ich hatte mit dieser Wahl das Gefühl, dass ich viele meiner Interessen vereinte und, dass das mein finaler Weg sein wird.

Im Moment schreibe ich meine Bachelorarbeit und auf dem Weg dahin dachte und denke ich immer noch das ein oder andere Mal, dass das alles falsch sein könnte. Doch dann halte ich Inne und versuche, all dem die Schwere zu nehmen. Ich mache mir bewusst, dass es ein Privileg ist, so viele Möglichkeiten zu haben. Ich nehme wahr, dass es keine Schwäche ist, die Zeit einfach mal anzuhalten und durchzuatmen sowie die Dinge zu hinterfragen, sondern viel mehr eine Stärke, um sich selbst treu bleiben zu können.

Vielleicht studiere ich weiter bis zu meinem Master, vielleicht mache ich noch eine Ausbildung oder ein anderes Studium, vielleicht bereise ich ein Jahr die Welt oder vielleicht fange ich nach meinem Bachelor schon an zu arbeiten. Wer weiß schon was passiert?

Schöne Dinge brauchen ihre Zeit und diese darf und möchte ich mir nehmen. Meine Reise ist noch lange nicht vorbei.


Man ist nie allein

Durch Gespräche mit Freunden und Bekannten wurde mir klar, dass viele unter demselben Druck leiden und gelitten haben.

Übrigens auch die, bei denen früher alles so einfach und unter Kontrolle zu sein schien. Das beruhigte mich zusätzlich. Ich begriff, dass ich nicht allein mit meinen Gedanken und Gefühlen bin. Aus diesem Grund lasse ich andere hiermit an meiner Gedankenwelt teilhaben.

Ideensammlung: Deine nächsten Schritte

Ich möchte mit Euch kleine Tipps und Gedanken teilen, die ich aus Gesprächen mit Gleichgesinnten gesammelt habe:

  • Ausprobieren, Ausprobieren, Ausprobieren
  • Praktika (zu wissen, dass einem etwas überhaupt nicht gefällt ist auch eine Erkenntnis)
  • Reisen, Menschen kennenlernen, Austauschen
  • FSJ nach dem Abschluss, öffnet einem viele neue Türen (Ein FSJ ist ein sozialer Freiwilligendienst, der in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet wird)
  • Abbrechen ist keine Schande, und hat nichts mit Schwäche zu tun
  • Es kann immer einen Neuanfang geben
  • Frage dich selbst, ob du damit auch glücklich bist und vernachlässige eventuell den Gedanken an das Finanzielle
  • Mit Personen aus Berufsgruppen sprechen, für die man sich interessiert
  • Jobcoaching, kann einem eine hilfreiche Auswahl liefern
  • In Univorlesungen schnuppern
  • Sanfter Umgang mit sich selbst
  • „trust the process“
  • Der eigenen Intuition vertrauen
  • „Vergleichen zerstört die Individualität“
  • Der eigenen Intuition vertrauen

Tür auf, Tür zu

Unserer Generation stehen so viele Türen offen. Wir haben andere Möglichkeiten als sie unsere Großeltern hatten. Es wäre unfassbar schade diese aus Angst und Überforderung nicht zu sehen und vorbeiziehen zulassen.

Wir können durch Praktika, FSJs, Reisen etc. herausfinden in welche Richtung es uns zieht. Wichtig ist es dabei im Hinterkopf zu behalten, dass nicht in Stein gemeißelt ist. Es ist immer Zeit und Raum für Umdenken und Neuorientieren.

Wir dürfen uns und die Welt da draußen entdecken, dürfen Fehler machen und daraus lernen. Wir dürfen etwas abbrechen und etwas Neues anfangen. Und wir dürfen auf Stopp drücken, wenn uns alles zu schnell geht. 

Unnnd Stopp!

Meine Vision

Lesezeit: 10 minuten

In den letzten Wochen und Monaten habe ich viel an so manch „großem“ Thema gearbeitet. Darunter auch: Wo soll das Ganze hinführen? Mit das Ganze meine ich: der Umgang mit mentaler Gesundheit in unserer Gesellschaft. Aber auch meine, unsere Arbeit mit der Mental Health Crowd, welche Vision habe ich für das Unternehmen, für uns als Familie, für mich ganz persönlich?

Themen wie Ziele und Visionen sind wohl nie wirklich „fertig“. Den aktuellen Stand möchte ich trotzdem mit Euch teilen. Weil ich hoffe, dass der ein oder die andere von Euch sich anschließt – entweder meiner Vision oder darin, eine eigene zu entwickeln. Und weil mir Schreiben in der Vergangenheit oft geholfen hat, Gedanken und Themen zu sortieren. Und das kann in diesem Fall wohl nicht schaden.


Auf LinkedIn habe ich vor Kurzem meine Berufsbezeichnung von Mental Health Advocate geändert in Mental Health Visionary. Weil ich in den letzten Monaten verstanden habe, dass das meine absolute Superpower ist: Menschen für Mental Health zu begeistern!

Zum Einen, weil ich eben selber so begeistert von diesem Thema bin, von seiner Vielfalt und Bedeutung für uns Tiere namens Menschen. Zum Anderen natürlich, weil es mich persönlich betrifft bzw. stark betroffen hat, weil ich offen mit meiner eigenen Geschichte umgehe und dem Thema damit nicht nur Authentizität, sondern auch ein Gesicht gebe. Und dass ich mentale Gesundheit auch mit Humor, mit Leichtigkeit und Hoffnung in Verbindung bringe – und damit viele Leute überrasche. Das alles hilft dem Publikum dabei, sich auf das Thema nicht nur einzulassen, sondern im besten Fall auch mitreißen zu lassen.

Und ein letzter Punkt, der hier für mich mit reinspielt: Ich bleibe nicht in der Vergangenheit stecken oder im Heute stehen. Mein Blick geht nach vorn: Wo wollen wir hin? Wie sieht unser Land in 20, 50 Jahren aus, wenn wir all die Ziele erreicht haben, an denen wir heute schon arbeiten? Wie lauten diese Ziele? Was wird sich konkret ändern? Wie kommen wir dahin?

ACHTSAM IM MORGEN?

Dass ich der Zukunft so viel Platz einräume heißt nicht, dass ich die Historie oder das Aktuelle ausblende oder vergesse. Es wird mit einbezogen und bietet die Grundlage für die Vision. Mir bleibt das Thema aber zu oft im Heute stehen. Ich weiß, dass vieles in unserem Land noch nicht gut läuft – wer sich ein bisschen mit der Marterie beschäftigt findet ganz schön schnell ganz schön viele Fehler. Ich weiß, dass wir die Geschichte noch nicht ganz hinter uns gelassen und aufgearbeitet haben. Und das ist für mich doch die größte Motivation, heute schon an einem besseren Morgen zu arbeiten.

Wenn ich Kolleg:innen aus der Bubble frage, was ihre konkreten Ziele sind, dann kommen viele ins Stottern. Und das ist nicht gut! Für das ganze große Thema, aber auch für einzelne Organisationen und Individuen.

In unserem Mental Health Guide schreiben wir über Ziele:

Wir Menschen brauchen Ziele, große und kleine, nahe und ferne – damit wir nicht stehen bleiben, damit wir einen Fuß vor den anderen sezten, damit wir etwas verändern und erreichen können. Sehen wir vor lauter Sress, vor lauter Chaos, vor lauter Krise und Problemen den Weg nicht mehr, kann das Wissen um ein Ziel, unser Ziel, uns weiter anreiben – weil wir eben wissen, dass der Weg nicht endlos einfach weiter geht, sondern weil da etwas ist, was wir erreichen wollen.

Und das ist das, was ich als Visionärin zur Diskussion beitragen kann. Nein, ich weiß nicht, ob es so kommen wird. Aber eine Richtung zu haben, in die wir alle zusammen loslaufen können, ist was für mich zählt.

Also, lange Vorrede kurzer Sinn: Visionen sind wichtig. Ziele sind wichtig. Und jetzt möchte ich Euch ein bisschen mitnehmen auf die Reise in eine (bessere) Zukunft:

VISION… FÜR ALLE

Wie sieht also mentale Gesundheit im Jahr 2048 aus, 25 Jahre von heute aus?

(wer mein Buch gelesen hat, dem wir vielleicht der ein oder andere Punkt bekannt vorkommen. Zum Glück hab ich seit der Erscheinung 2019 aber noch etwas mehr gelernt und Zeit gehabt, die Liste zu ergänzen)

PRÄVENTION

  • Mentale Gesundheit ist im Bildungssystem angekommen: von Emotionsunterricht in KiTas über Achtsamkeitsstunden in der Grundschule. In den weiterführenden Schulen steht Mental Health Literacy nun im Lehrplan – die Schüler:innen lernen angepasst an ihre Altersstufe – nicht einmalig, sondern fortlaufend bis zum Abschluss
  • Und auch schon vor der Einschulung konnten wir Erfolge feiern: alle werdenden Eltern bekommen professionelle Helfer an ihre Seite, die sie in und mit ihrer neuen Rolle und Aufgabe unterstützen.
  • Prävention und Awarenss-Arbeit findet themenübergreifend in der Gesellschaft statt – Kooperationen mit Fußballvereinen, Baumärkten, Kinos, etc. bringt die Menschen auf positive Art und Weise mit Mental Health in Berührung
  • Dank Screening-Tools offline und online erreichen wir mittlerweile knapp 90% der Bevölkerung. Pro Quartal zahlen die Krankenkassen nun einen Vorsorgetermin bei einem:r Psychotherapeutin.
  • Alkohol ist in der Gesellschaft heute deutlich weniger präsent als noch 2023. Durch verschiedene Maßnahmen wurde der Konsum und damit die gesellschaftlichen, gesundheitlichen, finanziellen, sozialen Kosten enorm gesenkt.

VERSORGUNG

  • Kein Mensch in diesem Land muss mehr auf eine passende Behandlung warten. Durch die zusätzlichen Kassenangebote, die langfristige Entspannung des Systems, die wir durch Prävention und Aufklärung erreicht haben,, hat sich die Versorgungssituation deutlich verbessert.
  • Im ganzen Land «Talk Points» installiert, an denen die Menschen ins Gespräch kommen. Wir haben Senioren darin ausgebildet, Anlaufstellen für Menschen zu werden, denen es psychisch nicht so gut geht.
  • Mittlerweile gibt es in allen größeren Städten Mental Health Cafés (Vorbild: BERG & MENTAL). Sie werden finanziert vom Bund, den Krankenkassen und Unternehmen. Zusätzlich gibt es mobile Varianten, die auch kleinere Ortschaften und Gemeinden in regelmäßigen Städten anfahren.
  • Die Bandbreite an Behandlungsmöglichkeiten ist heute viel größer, als noch vor 25 Jahren – es gibt für jede:n das richtige Konzept
  • Erfahrungsexperten sind mittlerweile fester Bestandteil des Versorgungssystem – sie arbeiten auf allen Ebenen mit, sind gleichberechtigt (auch in der Bezahlung) und zahlreiche Studien haben gezeigt, wie positiv diese Anpassung sich auswirkt.
  • Arbeitgeber sind verpflichtet – je nach Größe des Unternehmens – die mentale Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen und zu stärken (z.B. Mental Health Guides, Mental Health Days, flexible Arbeitszeitmodelle, Inhouse-Therapie, …)

UMGANG

  • Wir reden heute offener, anders über unsere psychischen Gesundheit. Am wichtigsten wahrscheinlich: wir reden.
  • Mittlerweile ist es kaum noch etwas besonderes, wenn eine prominente Person über ihre eigenen Erfahrungen berichtet – eine Tatsache, die noch vor 20 Jahren kaum möglich gewesen wäre. Ihre Offenheit hat maßgeblich dazu beigetragen, das Stigma zu bekämpfen und unseren Umgang mit Depressionen, Sucht, Angst-, Ess- und Persönlichkeitsstörungen zu verändern.
  • Es gibt kaum noch Schlagzeilen, bei denen «der Psycho» im Mittelpunkt steht. Die Darstellung des Themas und von Menschen, die psychisch erkrankt sind ist wesentlich realistischer, weniger verzerrt oder kriminalisiert – sowohl in Nachrichten, als auch in Filmen und Serien.
  • Ob am Arbeitsplatz, in den Medien oder der Nachbarschaft – Untersuchungen zeigen, dass die Einstellung zu Menschen mit psychischer Erkrankung und das Wissen rund um mentale Gesundheit sich signifikant zum positiven gebessert haben.
  • Stress ist kein Statussymbol mehr! Durch die Arbeit der letzten Jahre haben wir auch erreicht, dass der Umgang mit Selbstfürsorge, Pausen, mit Krisen und Druck sich verändert hat. Die Diskussion wird mehr und mehr geprägt von Kindness und Compassion und nicht von einer Ellenbogenmentalität. Zum Glück haben Wirtschaft, Politik und Krankenkassen das auch verstanden und mit entsprechenden (gesetzlichen) Regelungen und Anpassungen diese Entwicklung ermöglicht bzw. verstärkt.

FAKTEN

  • Die Krankenkassen melden sinkende Kosten, weniger AU-Tage und Frühverrentungen.
  • Die Fallzahlen haben sich über die letzten Jahre nach Rekordhochs nach und nach wieder zurückentwickelt – und auch, wenn sie niemals bei 0 ankommen werden konnten wir durch Prävention und Früherkennung in vielen Fällen Chronifizierungen und schwere Verläufe verhindern
  • Die Suizidrate hat den niedrigsten Wert seit Beginn ihrer Aufzeichnung erreicht – Tendenz fallend.

… FÜR DIE MENTAL HEALTH CROWD

So, das also die große, gesellschaftliche Vision. Und was tragen wir als Unternehmen dazu bei? Zum Glück ein ordentliches Stück (auch hier reisen wir so 20 Jahre in die Zukunft):

SÄULE 1: Mental Health Literacy

  • In dieser Säule liegt der Fokus darauf, die Mental Health Literacy der Menschen zu stärken, also ihnen Wissen rund um mentale Gesundheit und psychische Erkrankungen zu geben – aufbauend auf den 12 Modulen unseres Mental Health Guides
  • Dieser rockt inzwischen selbstständig und skalierbar. Seit wir die App in unsere eigenes Haus zu unseren Entwicklern geholt haben geht sie richtig durch die Decke. Regelmäßig gibt es neue Features, die von den Nutzer:innen mit bestimmt und entwickelt werden; ob Arbeitsbuch oder Workshops, Vortragsreihe oder Siegel – die Prozesse sind optimiert, wir können gut planbar in die Umsetzung gehen und haben unser Ziel, bis 2025 500.000 Menschen zu erreichen, schon lange erreicht.
  • Unser Team aus Expert:innen geht in Unternehmen, Schulen und Unis, vermittelt die Inhalte online und offline, regelmäßig werden neue Inhalte aufgenommen und Content kreiert.
  • Die Ausbildung zum Mental Health Guide ist mittlerweile zertifiziert und jedes Jahr bekommen mehr (Hoch)Schulen, Institutionen und Unternehmen unser Mental Health-Siegel.
  • Wir helfen Firmen und Arbeitgebern, ihre Betriebe noch Mental Health-freundlicher zu machen, ihre Seminare und Meetings entsprechend umzugestalten.

SÄULE 2: Mental Health Rocks

  • Wir bringen das Thema mentale Gesundheit auch dorthin, wo die Leute es nicht vermuten würden. Die drei Highlights jedes Jahr sind
  • 1. das MENTAL HEALTH ROCKS Festival mit dem wir bald aus dem Schatten des Rock am Ring heraustreten. Zwei Tage lang rocken wir „die Heide“, mehrere Bühnen, kleine und große Bands und vor allem viele Stände und allen möglichen Mental Health Akteuren; wir schenken Alkohol aus, aber nur an speziellen Ständen und animieren zum sober rocken. Auf dem Campingplatz gibt es Yoga und Ruheräume, Mental Health Guides drehen ihre Runden, Workshops runden das Angebot ab. Jedes Jahr sind die Tickets schneller ausverkauft.
  • 2. Das zweite große Highlight ist unser MENTAL HEALTH SUMMIT– die etwas „ruhigere“ Art und Weise zu zeigen, wie bunt mentale Gesundheit ist, wie vielfältig. Die Mischung aus Kongress und Messe zieht tausende an, große Keynotes und kleine Vorträge, Workshops und praktische Sessions werden kombiniert mit einer Messe, auf der sich Anbieter rund um Mental Health präsentieren. Vom Catering bis zu Ruheräumen ist alles darauf ausgerichtet, dass jede:r Besucher die experience hat, die er braucht. Und ja, abends gibt es Musik und ein bisschen Party. Dieses Event ist komplett alkoholfrei =)
  • 3. Last but not least: der MENTAL HEALTH RUN – inspiriert vom WFLWR geht es nicht um Schnelligkeit oder Leistung, sondern darum, gemeinsam für eine gute Sache aktiv zu sein. Der Lauf ist in verschiedene Abschnitte unterteilt (Hindernislauf), vom Depressionsparkour zur Energiestrecke, von der Musikstrecke zum Achtsamkeitskilometer. Die Einzigartigkeit des Laufes und der Eventcharakter ziehen auch Nicht-Läufer an.
  • Und dann sind da noch unsere ganzen kleinere Events: Aktionen in Cafés und in Fußgängerzonen, in Baumärkten und Fußballstadien, Kinos und Flughäfen.
  • Den letzten Baustein bilden unsere Breakouts und Trainingscamps. Dabei werden die Inhalte des Mental Health Guide komprimiert vermittelt und trainiert, in der Gruppe, an schönen Orten (Crowdnester).

DAS UNTERNEHMEN

  • BRAND: Wir haben 150 Angestellten, die Atmosphäre in den Büroräumen ist angenehm, offen aber auch konzentriert und professionell; von Kaffee zu Catering, von Stehschreibtischen zu technische Ausstattung; über die Arbeit hinaus gibt es Aktivitäten, Laufrunden, Yoga etc., wir haben Prozesse, Meetingstrukturen die offen und flexibel und zielführend sind; wir sind fokussiert und produktiv; wir leben was wir lehren; regelmäßig gibt es Workactions in unseren Crowdnestern, die auch privat gebucht werden können; auf dem Hof stehen zwei Büromobile und ein paar E-Autos zur Verfügung; das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns in allen Bereichen, wir sind auf einem guten Weg; unsere Mitarbeiter:innen tragen ihre Crowd-Pullis gerne und stolz auch in der Freizeit; jede:r kann bei uns so arbeiten, wie es für ihn oder sie am besten passt. Wir sind stolz darauf, übertariflich gut zahlen zu können, dass unsere Mitarbeiter lange bei uns arbeiten und eine hohe Bindung und Identifikation mit der Firma haben.
  • IMPACT: Mit unseren Events, Laufveranstaltungen, Vorträgen, Seminaren, Pop-Up-Cafés, den mobilen Aufklärungswägen, der Webseite samt Social Media-Kanälen und Medienauftritten erreichen wir so viele Menschen, wie wir uns niemals erträumt hätten. Unsere Tools, Programme und Materialien sind mittlerweile in über 10 Sprachen erhältlich.
  • SOCIAL: Das Geld, dass wir mit den beiden Säulen generieren reicht nicht nur für stetiges Wachstum, wir sind auch in der Lage, unser soziales Vorhaben zu erfüllen – wir gehen an Schulen und in benachteiligte Viertel und machen dort kostenlose Events und Workshops, stellen unseren Guide für Beschäftige im sozialpsychiatrischen Bereich kostenlos zur Verfügung und bilden in diesen Organisationen Mental Health Guides aus – gesponsert von unseren Firmenpaten, veranstalten regelmäßig Guide-Camps und Breakouts für Menschen und Gruppen, die es sich sonst nicht leisten könnten, …

… FÜR MICH

Und natürlich habe ich auch eine Vision für mich – als Mensch, als Mama, als Partnerin, als Unternehmerin. Ich habe ein Vision Board gemacht, dass ich am Handy und dem Rechner als Bildschirmhintergrund nutze. Und mehrmals am Tag schaue ich bewusst drauf und gehe in meinen Visions-Tschakka-Modus =) Im Badezimmerschrank hängt mein pdf, das all das hier (und mehr) zeigt und jeden Morgen nehme ich mir eine Minute, um es bewusst anzuschauen.

DOMINIQUE IN 20 JAHREN (2043 – dann 56 Jahre alt)

  • Ich zeige, dass man mit einer guten Sache gutes Geld verdienen kann, bin beruflich sehr erfolgreich, habe diverse Auszeichnungen bekommen. Durch die harte Arbeit habe ich finanzielle Freiheit erlangt, die mir vieles ermöglicht. Eine gesunde Lebensweise ist für mich Alltag, Sport, Ernährung, Schlaf, Achtsamkeit – aber Genuss kommt nicht zu kurz. Mit meinem Aussehen und Auftreten bin ich rundum zufrieden, ich habe meinen Stil gefunden, und fühle mich in meiner Haut wohl.
  • Mein Privatleben ist erfüllt, Familie, Freunde, Kultur –ich habe eine tolle Balance. Mein Grundsatz, ein aktives und kein passives Leben zu führen, gilt weiterhin. Genau wie der Wunsch nach einem großen Leben – ob Reisen oder Kontakte, tolle Events oder TV-Auftritte – es ist ganz schön was los bei mir!

Diese eher die Emotionen ansprechende Vision habe ich für mich nochmal in greifbarere (smartere) Zwischenziele in 10 und 5 Jahren bzw. in 12, 6, und 3 Monaten unterteilt.

MEINE BIG 5

1. FUTURE: Meiner Tochter ein gutes Leben ermöglichen

2. INSPIRATION: Zeigen, dass man von einer guten Sache gut leben kann

3. CHANGE: Den Umgang mit mentaler Gesundheit verändern.

4. GROW: Aktiv leben, nicht passiv – one life, one shot!

5. WORK: Ortsunabhängig arbeiten können –tun, was ich liebe!

WERTE & REMINDER

Ich hab vor einigen Jahren mal so einen Werte-Test gemacht. Also ein Test, bei dem man eben herausfinden kann, welche Werte einem eigentlich wichtig sind. Und ja, Werte können sich ändern – für mich sind es aber immer noch die zwei von damals, die zentral für mein Leben sind:

FREIHEIT und ERFOLG (natürlich sind mir noch andere Dinge wichtig, aber die zwei helfen mir schon sehr bei Entscheidungen im Alltag.)

Und dann gibt es so ein paar Reminder, die mir helfen:

  • Courage over Comfort
  • One Life – One Shot
  • If tomorrow never comes. Will you be happy with the life you lived today?

MEINE VISION – EURE VISION?

So, nun habe ich Euch also entführt und eine kleine Reise mit Euch unternommen. Eine Reise in ein (besseres) Morgen. Auch ich habe keine Kristallkugel, irre mich, lerne dazu. Deswegen kann dies nur eine Bestandsaufnahme aus dem Frühjahr 2023 sein.

Die unternehmerische und die private Vision hängen gut sichtbar in meinem Arbeits- bzw. Badezimmer. Die große Gesellschaftliche Vision eines besseren Umgangs mit Mental Health trage ich immer im Herzen (und eine Zusammenfassung nun auch hier im Blog).

Und schließen möchte ich damit, was diese Arbeit der letzten Wochen und Monate rund um meine Vision(en) mit mir gemacht hat: sie gibt mir Sicherheit, Kraft, Motivation. Ich nehme mir regelmäßig Zeit, um zu reflektieren – bin ich noch auf Kurs? Halte ich noch auf meine Ziele zu? Muss ich die Vision anpassen?

Und Nein, Ihr müsst nicht alle gleich in die entferntesten Umlaufbahnen abdriften, um selber eine Vision zu entwickeln. Es gibt so viele Visionen wie Menschen auf der Welt. Da vorne, da ganz weit am Horizont was zu haben, auf das wir zusteuern können, dass uns Orientierung und Halt und Kraft bietet – das ist etwas, was jeder:m Menschen gut tun kann.

ONE DAY AT A TIME

Durch meine Erkrankungen habe ich viel Lebenszeit verloren. War passiv, hatte keine Kontrolle, geschweige denn Ziele oder einer Vision. Und das war nicht schön. Ich möchte da nicht mehr hin zurück.

Deswegen ist das Thema für mich persönlich vermutlich auch so enorm wichtig. Ich möchte nicht (noch mehr) Lebenszeit „verschwenden“ – wir hben ja eh nur so wenig davon. Ich kann nicht jede Sekunde und jeden Tag in krassester Art und Weise (er)leben (Carpe Diem und so). Das wäre eine Nummer zu viel, das hält kein Mensch lange aus.

Aber ich kann immer wieder Momente und Pausen einbauen – zum Reflektieren. Damit ich weiß, ob ich etwas ändern muss. Damit ich weiß, ob heute ein guter Tag, die letzte Woche eine gute, der letzte Monat ein guter, das letzte Jahr ein gutes war. Dafür habe ich Kriterien entwickelt, die die großen Ziele und Vision auf konkrete Punkte runterbrechen.

Und zu merken, dass jeden Tag was geht – und sei es noch so klein – ist ganz schön groß!

Mental Health Nachwuchs – Teil 3

Lesezeit: 7 minuten

Teil 3: Das erste Jahr als Mama

Ein Post über das Mama-sein – über den Alltag als Familie, über neue Prioritäten, über das Auf und Ab der ersten Monate. Über das Infrage stellen von allem, das Reinfinden in die neue Rolle, und das Raushauen von Unnötigem. Wie war das erste Jahr für uns als Familie? Was sagt meine mentale Gesundheit dazu? Beobachtungen aus unserem neuen Leben.

Dieser Beitrag ist der dritte und letzt einer Mini-Serie über meine Reise ins Mamaleben. In Teil 1 geht es um die Vorgeschichte und die Schwangerschaft, in Teil 2 um Geburt und die ersten Wochen und diesem Teil heute geht es schließlich um die ersten Monate und den Alltag mit unserem Tigermädchen.

Leben intensiv – die ersten 12 Monate

Irgendwie ist alles anders. Und irgendwie ist alles gleich. So in etwa lässt sich zusammenfassen, wie die letzten Monate so waren. Vor wenigen Tagen ist unsere Kleine nun tatsächlich schon eins geworden. Und wenn ich auf dieses Jahr zurück blicke ist da ganz schön viel.

(Anmkerung der Autorin: Der Text wurde wirklich kurz nach Tigermädchens 1. Geburtstag im Mai geschrieben. Nur komme ich erst jetzt im Oktober dazu, ihn zu veröffentlichen. Ich habe mich entschieden, den Text nicht an das Heute anzupassen – wir gehen auf den 1 1/2 Geburtstag zu – und es hat sich schon wieder so viel getan, dass einfach bald der nächste Blogbeitrag her muss. Daher lasse ich den Text vom Mai weitestgehend, wie ich ihn damals geschrieben habe und habe nur kleine formale Änderungen vorgenommen.)

Erst die Arbeit?

Nach dem Trubel der ersten Tage, dem Wochenbett und dem ganzen Berg an neuem, den wir zum Teil wie im Nebel erlebt haben, wartete dahinter: Alltag. Arbeit. Sozusagen die Vorher-Version unseres Lebens, die nun mit der neuen Situation vereint werden wollte.

Und hier haben wir dann auch gemerkt, dass Tigermädchen zwar unser erstes Kind ist, das aber nur teilweise stimmt – abgesehen von Jarvis, unserem kleinen Stern – da noch ein Baby namens Mental Health Crowd nach unserer Aufmerksamkeit verlangte.

Gehörten die ersten Wochen nach Geburt wirklich nur unserem kleinen Wunder, konnten wir dank entsprechenden Arrangements im Unternehmen, Mutterschutz und Elternzeit wirklich alle Arbeitsthemen für eine Weile ausblenden, war es dann nicht nur das Müssen, sondern auch das Wollen was Lasse etwas früher, mich etwas später wieder zur Arbeit brachte.

Das BERG & MENTAL noch im Lockdown ging das dank Homeoffice ziemlich gut, erst als die Entscheidung fallen musste, den Laden pandemiebedingt zu schließen erforderte das wieder etwas mehr Pendelei.

Erstens kommt es anders …

… und zweitens als man denkt. Selten habe ich diesen Spruch als so wahr empfunden wie nun beim Eltern werden. Ähnlich wie bei der Geburt hatten wir uns auch über allerlei Themen rund um Erziehung und wie wir das mit Kind alles machen wollen würden Gedanken gemacht. Wie wollen wir wickeln, wo schläft das Kind, Kinderwagen oder Trage – you name it, we thought about it.

Um dann zu merken, dass Vorstellungen und Pläne das eine sind. Die Realität und Kräfte es dann aber manchmal anders kommen lassen. Ja, ich finde windelfrei total super – ich hatte aber einfach nicht die Energie und Geduld dafür. Ja, ich hätte gerne allen Babybrei selber gekocht – hatte aber nicht die Zeit und Energie dafür. Ja, ich hatte den Plan keinen Schnuller zu benutzen – hatte aber keine Geduld und Zeit dafür.

Wir haben also vor allem gelernt, flexibel zu bleiben. Uns der Situation anzupassen – und nicht nur auf uns, sondern auch auf unser Kind zu hören.

Geholfen hat wohl, dass ich nie den Anspruch an mich hatte, eine perfekte Mama sein zu wollen – ich bin mir nur allzu bewusst, dass das gar nicht geht. Stattdessen will ich echt sein, Mensch bleiben, Fehler machen, dazu stehen.

Das klingt hier so selbstsicher – aber natürlich haben gerade in den ersten Monaten viele Unsicherheiten an allen Ecken und Enden enorm viel Kraft gekostet. Wie geht das denn nun richtig? Was ist das beste? Wie läuft es „normal“? Bin ich eine gute Mama?

Bücher? Nein Danke!

Und zum ersten Mal habe ich mir eingestehen müssen, dass Bücher mir an dieser Stelle nicht helfen. Beziehungsweise lesen allgemein. Was mir sonst so eine Sicherheit gibt und mein Go-To-Mittel ist, wenn ich ein Problem habe, hat sich an dieser Stelle als geradezu schädlich herausgestellt. Vor allem aus zwei Gründen:

  1. Egal um welches Thema, ob Wickeln oder Stillen oder Tragen oder Schnuller oder Schlafen und egal welche Meinung man vertritt, man findet Heerscharen aus Menschen und Argumenten, die genau diese Meinung absolut und 100% unterstützen – oder ihr absolut und 100% widersprechen. Ich war am Ende häufig so verunsichert, was denn nun richtig“ ist, dass ich nicht nur verzweifelt und überfordert war, sondern auch vollkommen vergessen habe, in mich reinzuhorchen. Mich zu fragen: was fühlt sich für mich richtig an? Was fühlt sich für UNS richtig an?
  2. Und zweitens fiel mir auf, dass ich mir nach der Lektüre von Baby- und Erziehungsbüchern oft geradezu minderwertig und unfähig und schlecht vorkam. „Es ist ganz wichtig, dass Sie mit Ihrem Kind singen/spielen/kuscheln/üben/… – und wenn sie das nicht tun vermurksen sie damit Ihr Kind von Grundauf und für sein ganzes Leben!“ Und was man nicht alles mit den Kleinen machen soll. Dann noch zu lesen, dass xx Prozent der Baby in Alter x schon x und x können – und dann kann Tigermädchen das noch nicht gibt dann den Rest.

Nach und nach habe ich gelernt, verstanden, akzeptiert, dass eben jedes Kind sein eigenes Tempo hat und jedes seine eigenen Stärken und am Ende doch irgendwie alle groß und hoffentlich glücklich werden. Ich habe also nicht länger zwischen den Seiten danach gesucht, was für eine Mama ich sein will. Sondern in mir drin. Und das war für mich ein sehr entscheidender Schritt!

Invalidieren – Mama hat nicht immer recht

Ein Punkt, bei dem ich mich ein wenig über mich selbst erschrocken habe war, wie schnell man den kleinen Wutzeln ihre Emotionen abspricht oder meint, es besser zu wissen. Beispiel: „Aber da musst Du doch jetzt nicht weinen?!“

„Doch – muss ich, Mama!“

Was bei Erwachsenen schon doof und unnötig ist, ist bei Babys und kleinen Kindern noch viel dööfer und unnötiger – und potentiell wirklich schädlich.

Was soll das Kind denn draus lernen, wenn es immer wieder hört, dass es ja wohl gerade keinen Grund gibt, wütend/traurig/frustriert zu sein? Richtig, dass die eigenen Emotionen wohl irgendwie falsch sind und man ihnen lieber nicht trauen soll.

Stattdessen: begleiten beim Fühlen. Wissen, dass so kleine Kinder eben noch verwirrt sind, sie aber niemals irgendwas böse, manipulativ mit Absicht machen. Sondern einfach nach ihren Bedürfnissen handeln. Und bei Bedürfnissen sind wir an einem guten Punkt:

Meine Bedürfnisse

Nämlich meinen eigenen Bedürfnisse. Ja, da ist nun ein kleiner Mensch in meinem bzw. unserem Leben, der auch Bedürfnisse. Und die sind wichtig. Und müssen – gerade am Anfang – schnell befriedigt werden.

Das heißt aber alles nicht, dass ich plötzlich keine Bedürfnisse mehr habe. Oder dass sie unwichtiger geworden sind. Sondern eigentlich im Gegenteil: Nur wenn ich gut für mich sorge, kann ich auch voll und ganz und gut für meine Kleine da sein.

Ich bin tatsächlich immer wieder erschrocken wenn ich gesehen oder gehört habe, wie sehr andere Frauen (& Männer) sich hintenanstellen, sobald sie Mütter (und Väter) geworden sind. Wobei hier vielleicht der Knackpunkt liegt: viele Menschen, ob Eltern oder nicht, haben das eben nie gelernt mit den Bedürfnisse, wie wichtig sie sind, welche sie haben, auf sie zu hören.

Zu meinem Glück habe ich das in den letzten Jahren lernen dürfen, lernen müssen. Und also schon vor der Geburt ein Leben gehabt, in dem meine Bedürfnisse eine große Rolle spielen, ich sie benennen kann und versuche, ihnen nachzukommen.

Das alles hilft mir dabei, auch jetzt weiter auf sie zu hören. Und ja, im Zweifelsfall gewinnt auch mal das Tigermädchen mit ihren Bedürfnisse, und meine müssen sich kurz hintenanstellen. Mal. Und dann auch nicht ewig. Sondern eben kurz.

Und klar ist auch, dass das Bedürfnis nach Schlaf und Ruhe gerade schwieriger umzusetzen ist, also vorher. Besonders in den ersten Monaten. Dann muss ich das an anderer Stelle reinholen. Und wohl auch ganz wichtig: Ich, wir dürfen uns Unterstützung holen!

„Danke, Mama!“

Da sind wir beim nächsten Punkt, für den wir wahnsinnig dankbar sind: die Tigeroma. Ohne ihre Unterstützung wäre dieses ganze neue Leben nochmal härter und anders, das ist klar. Nur dank Ihr können wir heute wieder in Teilzeit-Elternzeit arbeiten – bis die Kleine dann bald in die Kita geht. Nur dank ihr haben wir die Möglichkeit, immer wieder durchzuatmen.

Mir ist klar, was wir für ein Glück haben. Und für alle, die das lesen und neidisch oder gar wütend werden, Euch kann ich nur sagen: Bitte, auch ohne Tigeroma, sucht Euch Support, Hilft, Unterstützung. Es gibt so vieles da draußen, in Eurem Umfeld, von den Kommunen, von Stiftungen – von Leihomas zu Tagespflege.

Ihr müsst das nicht alles alleine schaffen. Haben Eltern noch nie, mussten Mütter noch nie. Da gab es immer Menschen drum herum, die geholfen und supported haben.

Vor allem müsst Ihr nicht gleichzeitig zur neuen Mutter- oder Vaterrolle auch auf allen anderen Hochzeiten in Perfektion tanzen. Bitte: seid nett zu Euch, TK-Pizza ist ok, Heulkrämpfe auch, genau wie gekaufter Kuchen, dreckige Böden oder Wäscheberge.

Aus Baby wird Mensch

Inzwischen ist aus unserem kleinen, zarten Bündel eine kleine wilde Tigerin geworden. Die Entwicklung der letzten Monate ist wirklich unfassbar. Vom kleinen, hilflosen Wesen, dass quasi nur rumliegt zu einem Kleindkind, dass erst auf vier und immer mehr auf zwei Beinen die Welt erkundet. Die immer mehr versteht und kommuniziert. Die wir immer besser kennenlernen – mit ihren Stärken (und Schwächen), ihren Eigenheiten und Besonderheiten.

Und die uns so vieles nochmal so neu erleben lässt. Wir überdenken Prioritäten, setzen neue Schwerpunkte, ändern Meinungen und entdecken neu.

Und ja, es gibt Dinge die wir gerade nicht machen können – aber das war klar. Dafür gibt es um so mehr Dinge, die wir vorher schon gemacht haben, die aber nun ganz neue Bedeutung bekommen.

Ich finde schade, wenn Eltern sich auf die Einschränkungen konzentrieren, die das Leben mit Kind eben mit sich bringt. Das ist alles nur vorübergehend. Und ehrlich gesagt sind es wirklich nicht viele Sachen, die man mit Kind nicht machen kann. Vielleicht muss man sie anders angehen, kreativ werden. Und in den meisten Fällen ist das nur vorübergehend, und sobald die Kids größer werden werden auch die Möglichkeiten wieder größer.

Hört man (jungen) (Groß)Eltern im Small Talk so zu, hört man oft und viel wie anstrengend alles ist. Und ja, ich kann es nun bestätigen. Aber es ist auch wunderschön, aufregend, beglückend, bereichernd, unbezahlbar.

„Hey meine Große, …“

Tigermädchen, diese Worte sind für Dich: Ich bin so froh, dass es Dich gibt – da gibt es keine Worte für. Ich bin so dankbar, dass Du gesund und munter bist. Ich bin so stolz auf Dich, wie ich noch nie in meinem Leben auf irgendwas stolz war.

Nein, ich bin keine perfekte Mama – ich bin eine echte Mama. Ich mache Fehler, ich weiß manchmal nicht weiter, ich habe manchmal keine Kraft. Und all das verstecke ich nicht vor Dir, sondern lasse Dich dran teilhaben. Und vor allem: ist da ganz viel Liebe!

So wie Du bist, bist Du richtig und genug. Du musst nichts leisten oder schaffen. Und ich weiß, dass auch Du nicht perfekt bist. Und möchte niemals, dass Du das denkst. Das Leben ist wild und aufregend und komisch und schön und verwirrend. Dass Du diesen wilden Ritt nun gemeinsam mit uns erlebst, dass wir ihn mit Dir erleben dürfen – macht jeden Tag schöner!


Mental Health Nachwuchs – Teil 2

Lesezeit: 8 minuten

Teil 2: Geburt und die ersten Wochen

Ein Post über das Mutter werden – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Keine Sorge, es gibt keine ausgeschmückten Details vom Vorgang an sich – eher so das drum herum und vor allem das danach. Mit Tigermädchens Geburt wurde schließlich auch eine Mama und ein Papa geboren. Wie ist das für uns? Was hat uns geholfen in den ersten Wochen, was war schön, was schwer.

Dieser Beitrag ist sozusagen der Mittelteil einer Mini-Serie über meine Reise ins Mamaleben. In Teil 1 geht es um die Vorgeschichte und die Schwangerschaft, in diesem Teil um die Geburt und die ersten Wochen und in Teil 3 schließlich um die ersten Monate und den Alltag mit unserem Tigermädchen

„Lasse???? Ich glaub, das ist kein Pipi…“

Oh, wie gut ich mich an diesen Moment erinnere. Gerade habe ich meine Morgenroutine beendet, Lasse kommt ins Wohnzimmer und wir wünschen uns einen guten Morgen, und während wir da so stehen und uns umarmen spüre ich da was. Ich verharre noch kurz in der Umarmung und watschle dann mit verkniffenen Schritten ins Bad.

Dort wird mir dann schnell klar, was los ist und ich höre mich sagen „Lasse??? Ich glaub, das ist kein Pipi…“ Aus der Küche kommt erstmal kurzes Schweigen. Dann ziemlich schnell Aktionismus. Erste Handlung: Hose anziehen. Was man halt so macht, wenn man nicht so recht weiß, was man machen soll.

Was ein emotionaler Wirbelsturm – Angst, Panik, Freude, Fassungslosigkeit, Verwirrung. Während ich versuche, mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen von dem, was mein Körper da gerade macht – Sprachnachricht an die Hebamme. Die meldet sich zum Glück schnell zurück und bestätigt: „Ja, das klingt, als wäre Deine Fruchtblase geplatzt. Jetzt frühstückt ihr erstmal noch in Ruhe, ruft in der Klinik an und fahrt dann ganz in Ruhe los.“

Aye aye, so wird es gemacht. Nur die Ruhe bekommen wir nicht so ganz hin. Bisschen fühlen wir uns wie Kinder kurz vor der Bescherung. Wuselig. Aufgeregt. Nervös.

Die Kliniktasche stand schon länger bereit. Letzte Sachen zusammensuchen. Carsharing Auto organisieren. Und die Wohnung ein letzten Mal als Paar verlassen. Das nächste Mal, wenn wir durch diese Tür gehen, sind wir eine Familie!

Klinikglück im Pandemieunglück

Wir hatten uns für eine Klinik in München entschieden, die unsere Hebamme uns empfohlen hatte, von der wir viel gutes gehört hatten und die vor allem eine absolute Ausnahme zum damaligen Zeitpunkt in der Stadt war: als eine der wenigen Krankenhäuser durften hier die Partner bei der Geburt dabei sein. In vielen anderen Kliniken war dies auf Grund von Corona verboten. Das sah dann so aus, dass die Väter oder wer auch immer als Unterstützung bei der Geburt dabei sein sollte, wirklich erst kurz vor knapp gerufen wurden, wenn das Köpfchen sozusagen schon fast zu sehen war.

Ich kann sagen, was in den nächsten Stunden auf mich, auf uns gewartet hätte – ohne Lasse wäre ich verzweifelt, durchgedreht. Natürlich habe ich mal wieder viel gelesen über die Geburt, habe mich mit Kurs vorbereitet und hatte das Glück, dass das Thema für mich immer sehr positiv besetzt war, ich also ohne große Ängste auf die Geburt zugegangen bin. Natürlich Respekt und davon eine gehörige Portion – aber da kommt wieder mein Vertrauen in die Natur ins Spiel (und der Gedanke, dass es Gründe haben muss, dass sich Frauen für ein zweites Kind entscheiden…)

Als wir ankamen also erstmal Untersuchung, ja es ist die Fruchtblase, wir können also bleiben. Das war Freitag morgen um 11 Uhr, knapp zwei Stunden nachdem wir zuhause auf der Yogamatte standen.
Ohne ausufernd zu werden oder Euch mit Details zu erschlagen: insgesamt hat sich der ganze Prozess der Geburt 44 Stunden gezogen. Am Sonntag Morgen um 4:37 kam unser Tigermädchen zur Welt.
Auf dem Weg dahin haben wir alles an unglücklichen Wendungen mitgenommen, was man so mitnehmen kann.

Nicht ganz nach Geburtstplan

Wie so viele werdende Mütter hatte auch ich einen Geburtstplan geschrieben. Das ist ein Dokument auf dem man festhält, wie das alles idealerweise laufen soll. Wie will man gebären, wer soll dabei sein, möchte man medikamentöse Unterstützung etc. etc. Mein Fazit war, dass ich meinen Plan wohl am Gegenteiltag ausgefüllt haben muss, denn alles, was ich gerne gehabt hätte, bekam ich nicht. Und alles, was ich gerne vermeiden wollte, bekam ich. Außer einen Kaiserschnitt.

Die Kurzfassung ist, dass die Wehen nicht richtig einsetzen wollten, da die Fruchtblase aber schon geplatzt war das Baby nicht mehr ewig im Bauch bleiben kann wegen weil Infektionsgefahr. In regelmäßigen Abständen wurde also überprüft, wie weit mein Körper ist, wie es dem Kind geht. Ich bekam einen Zugang mit Antibiotika, irgendwann Medikamente, die die Wehen etwas antreiben sollten. Denn in all dieser Zeit hatte ich Wehen, keine Starken und mit Pausen dazwischen, aber doch so sehr dass an Schlaf nicht wirklich zu denken war.

Als sich weiter nichts tat kam der Wehentropf zum Einsatz – und dann wurde es richtig unangenehm. Inzwischen waren wir im Kreißsaal, es war Samstag geworden und wir hatten viele Hebammen und Ärzt:innen kennenlernen dürfen.

Geburt mit Fernseharzt

Um mich etwas zu entspannen und abzulenken lief auf meinem Handy „Hirschausens Quiz des Menschen“ via ARD Livestream. Nicht, weil ich den Fernseharzt gerne bei mir haben wollte, sondern weil ich Quizshows einfach liebe und sie mir gut tun. Am Ende lief die Show nicht nur im Livestream, einmal zurückgespult im Livestream sondern schließlich auch nochmal aus der Mediathek heraus. Wir haben sie also mindestens drei Mal durchlaufen lassen, ist immerhin eine knapp 3-stündige Sendung. Aber glaubt nicht, dass ich mich an nur eine Frage erinnere…

Anfangs wurde vom Personal noch gefragt, ob man dieses Gerede vielleicht ausstellen könne – worauf Lasse und Ich entschieden NEIN antworteten. Meine Geburt. Mein Kreißsaal. Meine Quizshow. Andere hören schließlich auch ihre Lieblingsmusik.

Zur Betreuung insgesamt muss ich aber wirklich sagen, dass alle ganz toll waren. Wir hatten das Glück, dass wir in dieser Nacht eine Hebamme ganz für uns alleine hatten. Aber auch die zuständige Ärztin war großteils wirklich toll und ich hatte stets ein sicheres Gefühl. So auch, als mir nahegelegt wurde, dass wir eine PDA legen sollten, um Stress vom Baby zu nehmen – dass ja nun auch schon seit vielen Stunden das Theater da im Bauch mitmachte.

PDA also. Wollte ich nicht. Aber wenn es so ist, dann ist es so. Das hatte ich mir zum Glück auch von Anfang an vorgenommen: Geburtsplan schön und gut, aber ich werde nicht dran festkleben wenn es anders kommt. Mein Glück.

Sie! Ist! Da!!!!

Dank Wehentropf waren die Wehen inzwischen richtig stark geworden, der Anästhesist war echt top und dank PDA war es deutlich erträglicher, ich habe aber immer noch sehr viel mitbekommen. Au.

Wir merkten aber auch, wie Hebamme und Ärztin doch immer nervöser wurden, einfach weil sich das Ganze inzwischen schon so lange gezogen hatte. Mittlerweile war Samstag Nacht. Am Ende beschloss die Hebamme wohl genau im richtigen Moment für meinen Körper, dass wir jetzt alle zusammen einmal alles geben, damit am Ende nicht auch noch ein Kaiserschnitt auf den Plan treten muss. Und um 4:37 war Tigermädchen auf der Welt.

Gezeichnet vom Stress, deutlich leichtgewichtiger als erwartet – aber gesund und stark und wunderbar und perfekt und in unseren Armen!

Es folgte, was auf eine Geburt eben so folgt – Untersuchungen bei mir und der Kleinen. Und vor allem: Emotionen. Als jemand mit Borderline in der Biografie bin ich starke Gefühle ja zum Glück gewohnt, aber das war doch nochmal was anderes…

Vom Kreißsaal ging es zurück in unser Zimmer und bald auf die Wöchnerinnenstation. Schwach und müde und glücklich und verliebt – 44 Stunden from beginning to happy end.

Kleines großes Glück!

Ein Mädchen also. Ein kleines, zartes, starkes Tigermädchen. Gerade mal 2290 Gramm – also sehr leicht und das sehr überraschend (wenige Stunden vor Geburt wurde sie noch auf etwas über 3 Kilo geschätzt) bei 47 cm.

Weiter waren wir froh um das tolle Team in der Klinik. Die sich nicht nur mit uns freuten, dass wir uns beim Geschlecht haben überraschen lassen, sondern auch ohne Namen in die Klinik gekommen waren – natürlich hatten wir Favoriten, aber wir wollten diesen kleinen Menschen erstmal kennenlernen, bevor wir uns entscheiden, mit welchem Namen wir ihn oder sie in die Welt schicken.

Unfassbar toll und ebenso keine Selbstverständlichkeit war die Tatsache, dass Lasse auch nach der Geburt mit in der Klinik bleiben konnte. Die Option hieß Familienzimmer und bedeutete, dass wir ein Zweierzimmer ganz für uns alleine hatten, diese ersten Stunden zusammen verbringen und genießen konnten, die Hebammen jederzeit da waren für unsere Fragen und dazu noch regelmäßig jemand vorbeikam und Essen brachte.

Nach zwei Tagen war es dann soweit und es ging nach Hause.

Die ersten Wochen

Irgendwie sieht draußen auf der Straße alles aus wie vorher – dabei ist die Welt doch eine ganz andere! Am Freitag als die alte Version von uns die Klinik betreten, am Mittwoch danach als neue Menschen wieder rausgekommen.

Da ist ein kleiner Mensch. Bei uns.

So klein und zart sie auch ist, unser Tigermädchen (das inzwischen ihren Namen bekommen hat, den wir aber aus Privatsphäregründen nicht teilen), so stark und zäh ist sie – das hat sie uns und den Hebammen schnell gezeigt.

Zuhause sind wir wie im Nebel. Sind dankbar für Freunde, die uns Essen bringen. Für unsere Hebamme, die uns so viel Sicherheit und Unterstützung gibt. Für die Oma die schnell in der Stadt passende Kleidung besorgt (denn für die Klassische Neugeborenengröße 56 ist unsere Tigerin deutlich zu klein, wir brauchen eher 44/50).

Zu den ganzen Emotionen muss mein Körper die Geburt natürlich auch verarbeiten. Das dauert seine Zeit und ich gebe ihm und mir die Zeit. Fange schon zwei Tage nach Geburt ganz vorsichtig mit Rückbildung und Mini-Morgenroutine an. Tue mich aber genau weil mein Körper das alles so gut macht, ich mich so schnell wieder „normal“ fühle, schwer damit, im Wochenbett wirklich zu ruhen.

Wickeln, stillen, schlafen – repeat!

Stillen, schlafen, verstehen. Staunen, streicheln, wickeln. Lernen, wachsen, heilen.

Erste Menschen kommen zu Besuch, Corona lässt uns weiter vorsichtig sein. Wir trauen uns ein erstes Mal raus mit unserem kleinen Wunder. Nur 10 Minuten um den Block, aber immerhin.

Schauen mehr TV als normalerweise weil der Kopf einfach zu nicht viel mehr in der Lage ist. Probieren aus, wechseln uns ab, lernen dazu, lesen nach, merken nach und nach, was für uns funktioniert. Und dass es nicht immer unbedingt die Dinge sind, die wir uns vor der Geburt so für uns überlegt hatten.

Denke ich heute an diese ersten Wochen zurück, ist da so viel – und auch so wenig. Hormone, Schlafmangel, permanente Überwältigung lassen diese Zeit in der Rückschau wie im Flug vergehen. Und doch waren diese Wochen so unfassbar intensiv, so voll gepackt mit Neuem und ersten Malen, mit Erinnerungen und Momenten.

So viele Fragezeichen und Sorgen und Ängste, die im Nachhinein nicht berechtigt waren – aber woher sollten wir es wissen? Auf Instagram hat mir vor kurzem eine Mutter geschrieben: „Ich würde gerne mit der Leichtigkeit einer zweifachen Mama wieder zum ersten Mal Mama werden.“ Das klingt so toll wie nicht machbar, daher ist wohl wichtig, sich selber diese Zeit nicht noch unnötig schwer zu machen mit überhöhten Ansprüchen an uns selbst. Und sich möglichst viel der Leichtigkeit von außen zu holen – von anderen Müttern (auch anderer Generationen), von Profis wie Hebammen und Kinderärzt:innen und allen anderen, die genau wissen, wie es sich anfühlt, diese Zeit und die aber schon ein paar Schritte weiter sind.

He Kopf, alles gut da oben?

Die Ängste aus der Schwangerschaft sind nicht plötzlich wie wundersam weg – sie haben sich verändert. Ist ja nicht so, als ob nu nix mehr passieren könnte. Und ich lerne, dass diese Ängste auch dazu gehören, Teil dieses neuen Lebensabschnitts sind.

Ich bin wachsam für Anzeichen von postnataler Depression und dankbar, dass ich umsonst Ausschau halten. Arbeite weiter an und mit allen Gedanken und Gefühlen, die da so kommen. Rede, teile, gebe Raum, verarbeite.

Auch jetzt vermisse ich den Austausch mit anderen Müttern. Wie ist das bei Euch? Wie macht Ihr das? Seid Ihr manchmal auch so wütend/frustriert/glücklich/überfordert/verliebt/müde/erschöpft/stolz? Was läuft gut bei Euch? Was hat Euch zum Weinen gebracht? Wie geht’s Euren Geburtstverletzungen?

Ich bin so froh, mit Lasse einen Tigerpapa an meiner Seite zu haben dem ich nicht erklären muss, dass das unser Kind ist. Der wickelt, badet, kuschelt, tröstet – ganz selbstverständlich.

Irgendwann versteht ein erster Teil des Kopfes, dass dieser kleine Mensch nun zu unserem Leben gehört. Es ist nicht mehr alles in jeder Sekunde neu und überwältigend. Sondern wir gewöhnen uns in kleinen Dosen an unsere neuen Rollen. Wir finden einen Rhythmus. Wir sind nun eine Tigerfamilie.

Von mir an Euch:

Wenn Ihr bald Eltern werdet, kann ich Euch nur wünschen Humor und Flexibilität ans Herz legen, Euch Ängste und Sorgen nehmen – Ihr werdet das toll machen. Nicht perfekt – aber toll! Ich dachte, ich sei gut auf das Danach vorbereitet, durch all mein Lesen und Planen. Und ja, an manchen Stellen hat es geholfen. Aber wie es dann wirklich ist, das kann Euch vorher niemand sagen. Für uns haben sich Prioritäten verschoben, wir haben Vorstellungen über den Haufen geworfen, ein neues Level an Emotionen entdeckt. Dafür wünsche ich Euch Vertrauen in Euch – und idealerweise ein paar Menschen, die mit unter die Arme greifen, und wenn es nur in Form einer festen Umarmung ist, wenn Ihr hundemüde, vollgespuckt, ungeduscht, verzweifelt und gleichzeitig überglücklich, stolz und gleichzeitig weinend in Eurer Wohnung steht, die dieser Tage so anders aussieht als Ihr es von Euch kennt.

Und wenn Ihr gerade Eltern geworden seid, dann lasst mich Euch einfach nur eine dicke Ladung Kraft schicken! Ihr macht das so, so unfassbar gut. Lasst Euch nicht verunsichern von all den Meinungen links und rechts und online und offline. Sucht Euch ein oder zwei Personen, deren Meinung ihr wirklich vertraut, der Rest hat nichts zu melden. Alles, was Ihr gerade denkt und fühlt und erlebt ist ok! Für jedes Problem findet sich eine Lösung, Ihr müsst nicht alles alleine schaffen und ja, es ist auch ok wenn die Schwiegermutter zum Bad putzen vorbeikommt.

Ihr rockt. Ihr seid Superhelden – Ihr seid Eltern!

weiter geht’s in Teil 3


Mental Health Nachwuchs – Teil 1

Lesezeit: 7 minuten

Teil 1: Die Schwangerschaft

„Ich bin Mutter. So richtig kann ich das noch immer nicht glauben. Letzte Woche haben wir Tigermädchens 1. Geburtstag gefeiert. Wow! In der Vergangenheit hat mir das Schreiben oft dabei geholfen, Aspekte meines Lebens zu verstehen – vielleicht hilft’s diesmal auch =)

Wie war das für mich und uns, was hat die Schwangerschaft mit meiner mentalen Gesundheit gemacht – und was meine mentale Gesundheitsgeschichte mit der Schwangerschaft und dem Mama-sein.


Weil es ganz schön viel zu sagen und zu schreiben gibt, wird dieser Post dreiteillig: In Teil 1 geht’s um die Schwangerschaft, in Teil 2 dann um Geburt und die ersten Wochen. Und in Teil 3 dann um den ganz normalen Alltagswahnsinn als Mama, Unternehmerin, Partnerin, Freundin, Mensch.

Die Vorgeschichte – Schwangerschaft die Erste

Und um das Geschriebene besser einordnen zu können fange ich da an, wo alles angefangen hat: beim ersten positiven Schwangerschaftstest im Frühjahr 2020, der völlig überraschend unser Leben auf den Kopf gestellt hat. Nein, die Sache war nicht geplant. Um die Überforderung zu verringern führte der Weg uns zu einer Beratungsstelle. Um Fragen und Ängste loszuwerden, Möglichkeiten und Informationen zu bekommen.

Trotz aller anfänglichen Panik fanden wir uns irgendwie recht schnell in die neuen Rollen ein. Und fingen irgendwie auch ziemlich bald an uns zu freuen. Erzählten engen Freund:innen von der frohen Kunde und begannen, uns das neue Leben auszumalen.

Doch dann: Fehlgeburt, Missed Miscarriage. Und innerhalb von Sekunden bricht mal eben eine Welt zusammen.

Das Gute für uns: es geschah recht früh. Wir hatten noch keinen Herzschlag auf dem Ultraschall gesehen, was die Sache für uns irgendwie erträglicher machte. Trotzdem war die Welt erstmal nur schwarz.

Ach ja, und genau in dieser Zeit nahm Corona so richtig Fahrt auf und stellte auch die Welt außerhalb unseres kleinen Universums auf den Kopf. Zum Glück wussten wir damals noch nicht, wie lange und wie hart die kommenden Monate werden würden – unternehmerisch, wirtschaftlich, psychisch, …

Wir haben uns viel Zeit und Raum genommen, die Sache zu verarbeiten. Geholfen hat, dass medizinisch nicht nachgeholfen werden musste, sondern mein Körper es ganz alleine geschafft hat. So saß ich in der ersten Woche des ersten vollen Lockdowns zuhause.

Draußen fuhr die Feuerwehr durch die Straßen und machte Durchsagen, drinnen erlebten wir eine stille Geburt.

Stille Geburt im Lockdown

Natürlich haben wir geweint, waren starr vor Schock und Trauer, wurden von Wut und Nicht-Begreifen können aufs Sofa gedrückt. Aber wir haben nicht verdrängt. Haben allem Platz und Raum gegeben, hatten tolle Freunde und Familien an der Seite, die da waren für uns. Haben alle Gedanken und Gefühle kommen und sein lassen. Haben kleine Rituale durchgeführt, um unsere Trauer zu verarbeiten. Haben Briefe an unser kleines Sternchen geschrieben und zusammen mit den wenigen Fotos in einen Umschlag getan.

Haben beschlossen, dass dies das Opa-Kind ist. Denn unsere beiden Väter sind leider sehr jung verstorben. Nun sitzen die beiden da oben zusammen und haben ein kleines Lichtchen zwischen sich und passen aufeinander und auf uns auf. Mir hilft dieses Bild sehr.

Dass mich diese Zeit, diese Erlebnisse in denen so vieles zusammen kam, privat und beruflich, emotional und gesamtgesellschaftlich nicht aus der Bahn geworfen hat, ich bei allem Sturm stabil geblieben bin, ein Rückfall welcher Art auch immer nicht mal in der Ferne zu sehen war war für mich ein tolles Zeichen dafür, was ich in den letzten Jahren geschafft habe. Und jetzt und hier beim Schreiben spüre ich, dass ich richtig stolz auf mich bin deswegen. Ein seltenes Gefühl bei mir…

Tabuthema Fehlgeburt

Was hilft ist, dass ich mir zu keinem Zeitpunkt selber Schuld gegeben habe. Was leider viele Frauen in ähnlichen Situationen tun. Ich habe mir keine Hätte-Wäre-Wenn-Fragen gestellt. Sondern habe das Geschehene als das akzeptiert, was es sehr sicher war: eine tolle Leistung der Natur. Habe mich verneigt vor den Prozessen in meinem Körper, die erkannt haben, dass dies die bessere Entscheidung ist. Und habe noch mehr Demut vor dem Leben an sich bekommen und war teilweise wirklich geradezu hingerissen von der Faszination der Reise, die wir alle so früh schon hinter uns haben. Welch komplexe Vorgänge, die bei aller Fehleranfälligkeit doch so oft gut ausgehen – sonst wäre keiner von Euch hier.

Heut weiß ich, wie viele Frauen, wie viele Paare, wie viele Familien ähnliche Erfahrungen machen müssen. Dass zwölf bis 24 Prozent der schwangeren Frauen eine Fehlgeburt haben – das ist in etwa jede sechste. Und es sich aber hier mal wieder leider auch um ein Tabuthema handelt.

Diese Fakten stellen auch die hierzulande so weit verbreitete „Regel“ in Frage, dass man in den ersten 12 Wochen besser noch niemandem erzählen soll, wenn man schwanger ist. Weil „ja noch was passieren könnte“. Übersetzt heißt das, dass man mit dem Schmerz und der Trauer nach einer frühen Fehlgeburt doch bitte niemanden belästigen soll?

Wir waren froh, dass wir so früh schon Menschen in unserem Umfeld eingeweiht hatten. Denn genau diese Menschen haben uns bei der Bewältigung geholfen.

Und gleichzeitig verstehe ich es, wenn man den Kreis, in dem man die Botschaft verkündet, erst nach und nach weitet. Im Fall des Falles der Chefin, dem Nachbarn, der Kassiererin erzählen zu müssen, dass aus der frohen Kunde ein wahrer Albtraum wurde, sich vielleicht noch Ratschläge oder Phrasen „Wer weiß wofür es gut ist!“ anhören zu müssen… keine schöne Vorstellung.

Und nun?

Wie geht es jetzt weiter?

Natürlich erstmal verarbeiten, Kopf und Körper Zeit geben zu heilen. Antworten auf die Fragen finden, ob es das nun gewesen ist? Ob dass das Zeichen war, dass es eben nicht sein soll? Aber was mit den aufgekeimten Elterngefühlen machen? Die sich nach dem ersten Verstehen doch so gut und auch so schön angefühlt haben?

Können wir es uns leisten, es erlauben es nochmal zu wagen? Wir entschieden uns dazu, es auf jeden Fall nicht aktiv zu verhindern und gaben dem Leben und dem Schicksal das Ruder in die Hand.

Ja, Ihr kennt das Ende der Geschichte schon: wir sind wieder schwanger geworden. Weiter ging sie also, die Achterbahnfahrt.

Schwangerschaft die Zweite

Die ersten Wochen oder eigentlich Monate waren geprägt von der Angst, dass wieder etwas schief gehen würde. Verständlich, trotzdem nicht schön.

Ständig diese Gedanken im Nacken sitzen zu haben „Was wäre wenn…?“. Die Panik, wieder durch einen Verlust gehen zu müssen. Die Suche nach Sicherheit, nach Zahlen, Statistiken die das Gegenteil verkünden. Die Vorsicht, keine Bilder der Zukunft entstehen zulassen. Das Zurückhalten von Freude.
Gleichzeitig wissend, wie sehr das Wesen da im Bauch all das schon mitbekommt. Dass es schon jetzt Liebe und Zuneigung braucht.

Also: aktiv mit allen Ängsten gearbeitet, sie zugelassen und nicht weggeschoben. Mir Hilfe gesucht und viel geredet. Dem Nachwuchs in mir erklärt, warum da neben all der Vorfreude und den schönen Gefühlen auch so eine dunkle Wolke durch mich wabert. Immer wieder Zeiten geblockt, an denen wirklich nur die positiven Gefühle erlaubt waren – 5 Minuten Freude auf Rezept sozusagen.

Sehr geholfen hat im ganzen Prozess die tolle Begleitung durch meine Gynäkologin und unsere Hebamme. Sie beide kannten unsere Vorgeschichte, waren sensibel, haben ernstgenommen und unterstützt, haben uns Mut zugesprochen und waren die gesamte Schwangerschaft über wirklich immer da. Auch das keine Selbstverständlichkeit, auch dafür bin ich unfassbar dankbar.

Auf mentaler Ebene also so gut für mich gesorgt, wie ich nur konnte. Und weil Kopf und Körper sich bekanntlich beeinflussen auch auf physischer Ebene gut für mich gesorgt – Ernährung, Schlaf, Bewegung.

Warum eigentlich Tigerbaby?

So stand ich eines Morgens auf der Yogamatte, startete den Tag mit einer Prenatal-Klasse und wurde von der Lehrerin dazu aufgefordert mir vorzustellen, ich sei ein Tiger der durch den Dschungel schreitet – kraftvoll, elegant, stark. Eine Tatze vor die andere setzend. Und dieses Bild half mir in diesem Moment so, so sehr dass ich danach zu Lasse ging und sagte: dieses Tigerbaby in mir drin ist stark und wird es zu uns schaffen.

Und für die nächsten Monate blieb das der „Arbeitstitel“ – das Tigerbaby.

Nicht Tigermädchen oder Tigerjunge – ich wollte das Geschlecht nicht vorher wissen, wollte nicht schon vor der Geburt mit vermeintlichen Rosa-Blau-Klischees umgehen müssen. Gar nicht so leicht, in einer Gesellschaft in der Babyausstattung von Kleidung über Spielzeug noch ganz klar unterteilt wird…

Lasse hätte das Geschlecht gern vorher gewusst – aufgrund der Pandemie durfte er jedoch nicht mit zu den Ultraschall-Untersuchungen (bis auf eine Ausnahme) und bekam so gar nicht die Chance, mir und meinem Wunsch ein Schnippchen zu schlagen… generell hat uns dieser Umstand aber sehr zu schaffen gemacht. Also der, dass ich immer alleine in die Praxis meiner Frauenärztin gehen musste.

Der Moment, wenn da auf dem Ultraschall ein Herz zu sehen ist, sich was bewegt, dieser kleine Mensch von Mal zu Mal mehr gestalt annimmt – so unvergesslich schön und so unverschämt ungerecht, diesen Moment nicht teilen zu können. Ja, ich habe Fotos und Videos gemacht und ausgedruckt Bilder in die Hand gedrückt bekommen – aber das ist eben nicht das gleiche. Ganz zu schweigen von der emotionalen Achterbahnfahrt im Wartezimmer. All die Ängst und Gedanken und Sorgen die dort nochmal erst recht komprimiert auftauchen während die Zeit sich zieht und zieht. Danke, Corona!

Mamas, wo seid Ihr?

Sehr zu schaffen gemacht hat mir der ebenfalls pandemibedingte fehlende Kontakt zu anderen werdenden Müttern. Von Schwangerschafts-Yoga zu Rückbildungsgymnastik – dank Corona alles nur Online. Auch toll, auch praktisch – aber wirklich Kontakte zu knüpfen ist auf diese Weise eben doch nicht ganz so leicht…

Ist das normal, was mein Kopf und mein Körper da gerade so macht? Was habt Ihr heute wieder verrücktes gegoogelt? Welche Bücher lest Ihr? Habt Ihr schon Strampler gekauft? Wie macht Ihr das mit dem Schlafen? Tragetuch oder Kinderwagen?

Ja, am Ende müssen wir sowieso für uns selber entscheiden, was für uns am besten ist. Aber einfach mal jemanden zu haben, der einen versteht, der jetzt in dem Moment in der gleichen Lage ist. Ich habe Freunde, die schon Eltern sind, die schon ein paar Schritte weiter sind… auch ein netter und toller und wichtiger Austausch. Aber gerade in Schwangerschaft und den ersten Monaten macht es einen Unterschied, wie weit und wie alt der kleine Mensch ist, um den sich da irgendwie plötzlich so viel dreht. Die Schwangere in der fünften Woche hat andere Themen als die werdenden Eltern im 7. Monat.

Ganz besonders habe ich mir immer wieder Austausch mit anderen Müttern gewünscht, die in ihrer Vergangenheit auch Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen gemacht haben. Mit Ängsten, Depressionen & Co. Sind meine Gedanken einfach normaler Teil einer Schwangerschaft? Gehören sie einfach zu diesem Prozess dazu? Oder mischen da andere Sachen mit, melden sich die Geister der Vergangenheit da gerade?

Diese tolle Mutter Natur

So anstrengend und herausfordernd die Schwangerschaft für mich mental war, so unkompliziert war sie körperlich. Ich kann es nicht anders sagen als: Mein Körper hat das großartig gemacht (gerade so, als wäre er dafür gemacht…)

Natürlich gab es Zipperlein und Problemchen, haben Sodbrennen, Hüftschmerzen und ein saftiger Schwangerschaftsschnupfen mich am Ende nur noch im Sitzen schlafen lassen. Aber dafür, dass da gerade in mir drin ein neuer Mensch gebaut wurde, hielt sich das alles sehr in Grenzen. Wofür ich wahnsinnig dankbar bin, denn ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist.

So wuchs der Bauch, irgendwann haben wir uns tatsächlich getraut, erste Sachen zu kaufen, die Wohnung vorzubereiten. Haben die tolle Nachricht mit mehr und mehr Menschen geteilt (war auch irgendwann nicht mehr zu verbergen), haben noch schnell alle Vides für den Mental Health Guide gedreht bevor der Bauch zu präsent wurde, haben schließlich auch die Social Media Crowd mit einem Post über die Schwangerschaft und das Tigerbaby informiert – und waren überwältigt von der Mitfreude und den Gratulationen.

Ja und dann, an einem Freitag morgen, knapp zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ging es los.

weiter geht’s in Teil 2: Geburt und die ersten Wochen


Alarmstufe Stress

Lesezeit: 8 minuten

Alarmstufe Stress

„Es geht mir ja gar nicht darum, dass ich Glück haben will. Einfach kein Pech mehr würde mir schon reichen…“ Diesen Satz habe ich mich vor drei Tagen sagen hören. Und er fasst die Situation derzeit irgendwie ganz schön gut zusammen. Ein Blogpost für mich – weil schreiben mir hilft. Ein Blogpost für alle, die gerade auch mit ihrem leeren Akku kämpfen, die am liebsten alles hinschmeißen möchten, die gerne mal ein paar Tage Pause vom eigenen Leben machen würden. Nimm das, Stress! Das hier ist für uns.


Während ich beginne zu schreiben kommt da die Stimme im Kopf „Aber eigentlich wäre ganz dringend der Blogartikel über die Schwangerschaft und das Mutter werden mit einer psychischen Erkrankung im Background und die ersten Monate mit Tigermädchen und überhaupt… ja stimmt. Den Artikel will ich schon seit Wochen veröffentlichen, vertröste die Crowd auf Instagram und Co immer wieder.

Leben voll – Akku leer

Und da sitzen wir schon Mitten im Salat. Zu viel. Zu viel von allem. Zu viel „Ich muss noch, ich will noch, ich sollte“. Und irgendwie am Ende des Tages zu wenig Stunden, am Ende der Woche zu wenig Tage, am Ende des Monats zu wenige Wochen. Ich strample und strample um aus dem Meer an ToDos und Aufgaben rauszukommen, aber es ist wohl kein Wasser sondern eher Treibsand, denn irgendwie sinke ich immer tiefer ein. Obwohl oder vielleicht weil ich so sehr strample.

Der Akku ist leer. Da bin ich mit Sicherheit nicht alleine. Schon zu „normalen“ Zeiten – was auch immer das bedeutet – lautet die Antwort auf die Frage „Wie geht’s?“ bei vielen von uns „Viel.“ oder „Muss ja.“ oder „Stressig.“ oder so ähnlich.

Die Pandemie hat die Situation nicht gerade verbessert. Nach dem Durchatmen, das der erste Lockdown vielen von uns beschert hat wäre es dann doch langsam mal nett, wenn wenigstens an dieser Front Normalität einkehren würde. Tut es aber nicht. Stattdessen schreiben wir gerade neue Rekorde und sitzen mitten in der vierten Welle, was eine ganz eigene Dimension der Unfassbarkeit umfasst.

Einfach mal auf mein Leben blickend kann ich sagen: dass ich trotz allem, was in den letzten zwei Jahren passiert ist, noch stabil stehe ich ein mittleres bis großes Wunder. Und/oder harte Arbeit. Denn das ist es.

Stress vs. Dommi – 1:0

Seit 27 Monaten kein Durchatmen mehr. Und dabei spreche ich nicht mal von Urlaub. Soweit vermag mein Kopf derzeit kaum noch zu denken. Im Herbst 2019 begann der Umbau vom BERG & MENTAL. Wochen, in denen wir durchgepowert haben um pünktlich zur Weihnachtszeit eröffnen zu können – und wir haben es geschafft. Das fortlaufende hohe Arbeitspensum rund um die Eröffnung hat mich ja dann auch nochmal in ein schönes Tief geschickt, wie ich es lange nicht kannte. Schnell draus gelernt, Pensum und Strukturen angepasst – Auftritt: Corona.

Es folgen Monate der (finanziellen) Unsicherheit, der Auflagen, der Versuche dieses Projekt durch und aus der Krise zu führen. Die emotionalen, mentalen, finanziellen, menschlichen, organisatorischen, zeitlichen, kognitiven Ressourcen, die uns das Auf und Ab für die nächsten eineinhalb Jahre kosten sollte, passen auf keine Mammut-Haut. Und trotz aller Anstrengungen dann im Spätsommer 2021 die Entscheidung: wir schaffen es nicht.

Wenn das Projekt gerade stillsteht, dann powern wir eben ins nächste um das beste aus der Situation zu machen, unsere Arbeit weiter zu machen, all die Verluste irgendwie auszugleichen. Auftritt: Mental Health Guide.

Und ebenso Auftritt: viele Workshops, Vorträge, Veranstaltungen in Unternehmen, Organisationen, (Hoch)Schulen – die wir teilweise Corona zu verdanken haben.

Monatelange 6-Tage Wochen in denen „40-Stunden-Woche“ geradezu nach Urlaub klingt. Und gleichzeitig versuchen, mit vereinzelten Tagen in den Bergen, einer möglichst guten Selbstfürsorge das System am Laufen zu halten – Ausfallen ist keine Option.

Darf’s noch etwas mehr sein?

Hinter den Kulissen des Unternehmens personelle Wechsel und Täler auf allen Ebenen. Wir haben ja mit dem Außen nicht schon genug zu tun… 

Ach ja, und dann ist da ja auch noch das Privatleben. Indem erst eine Fehlgeburt (dazu irgendwann mehr im oben angesprochenen Artikel – er kommt, versprochen), dann eine Schwangerschaft und inzwischen sechs Monate mit unserem Tigermädchen, deren Lächeln uns immer wieder alles andere vergessen lässt. Die unseren Akkus auf so ungekannte Weise auflädt – und ja, auch Energie kostet aber ebenso auf andere Art und Weise als Stress und Arbeit es jemals könnten.

Ebenso wie der private Umzug – der wohl die beste Entscheidung war, die wir treffen konnten. Der aber natürlich trotzdem Zeit, Kraft, Energie und Nerven gekostet hat.

Ich bin sicher, ich vergesse hier gerade vieles. All die kleinen und großen Kämpfe und Kämpfchen, all die kurzen und langen Talfahrten, all die Steine und Hindernisse. All der Mental Load, den das Leben und der Alltag noch so für uns bereit halten. Die Dinge, die wir gerne irgendwie übersehen, weil sie halt so nebenbei laufen.

Und ja, natürlich gab es auch in diesen zwei Jahren schöne Momente, Tage, Phasen, Erlebnisse und Begegnungen. Mich auf diese zu konzentrieren, das gute in dieser ganzen Situation zu sehen ist eine Fähigkeit, die ich geradezu perfektioniert habe und die ein wichtiger Skill ist, der mir wohl auch dabei geholfen hat, nicht schon lange den Kopf zu verlieren. „Hallo, Resilienz“ trifft es da ganz gut.

Heute und hier will ich aber mal nicht mehr das Positive sehen. Will schimpfen und jammern und rauslassen – ohne Kompromisse.

Alles muss raus!

Denn in den letzten Tagen haben uns von mehren Fronten nochmal schlechte Nachrichten erreicht. Privater, menschlicher, arbeitstechnischer, finanzieller Natur – und ich frage mich einfach langsam: „Was noch? Was haben wir in einem früheren Leben verbrochen, um gerade so viele und immer wieder etwas auf den Deckel zu bekommen?“ Eigentlich wollen wir mit unserer Arbeit, mit dem BERG & MENTAL, mit der Crowd die Welt besser machen, wollen helfen, Hoffnung und Mut machen, Aufklären und Verändern – aber bekommen vom Leben nach und nach eins in die Fresse…

Werden von Menschen enttäuscht, von Ämtern und Behörden geärgert, vom Schicksal bestraft und wieder und wieder mit Pech übergossen.

Langsam weiß ich nicht, wie viele Schläge in die Magengrube wir noch schaffen. Habe Angst, was Tigermädchen von all dem mitbekommen – na klar, bekommt sie was mit – und dass auch sie Schaden davon tragen wird. Verliere den Mut und die Hoffnung, stelle unsere, meine Mission in Frage und möchte immer öfter einfach hinschmeißen.

Dass ich es noch nicht getan habe, dass ich jeden Tag auf’s Neue mein bestes gebe ist wohl Beweis genug, wie viel ich inzwischen gelernt habe und wie gut ich darin geworden bin, auf mich aufzupassen. Und keine Sorge, hier geht’s nicht in Richtung Suizid oder so, davon bin ich weit entfernt. Wir sind eher so auf dem Level in einer Höhle verkriechen.

Es ist wirklich ok, wenn grad nicht alles ok ist!

Wenn es Euch gerade so ähnlich geht – dann ist das vor allem ok.

Schon eine Sache alleine – Corona, ein Unternehmen führen, Eltern werden – ist eine Herausforderung. In dem Mix und vor allem in der Dauer und dieser Intensität an die eigenen Grenzen zu stoßen, da braucht es keine Vorbelastung durch psychische Erkrankungen… die sich übrigens weiterhin nicht blicken lassen.

Alles, was ich hier schreibe geschieht fernab von Depression, von Borderline und Mr. A. Kämen die gerade noch dazu, das würde die Sache wohl nochmal ein ordentliches Stück interessanter machen. Sie bleiben aber brav wo der Pfeffer wächst und ich bleibe brav bei all dem, was ich in den letzten Jahren gelernt habe.

Nein, ich habe keine Patentlösung. Ich kann nur teilen, was mir bisher geholfen hat, was mir jeden Tag hilft.

Zum Einen ist ganz klar: Achtsamkeit. Wenn der Kopf sich mal wieder im Sorgendschungel verirrt hat – den Fokus wieder ins Hier & Jetzt zurück holen. Durch atmen. Durch spüren. Durch erden. Durch umarmen. Achtsamkeit erlaubt mir, trotz allem Stress wirklich beim Tigermädchen zu sein, wenn ich beim Tigermädchen bin; wirklich bei der Arbeit zu sein, wenn ich bei der Arbeit bin. Nicht immer. Nicht 100%. Aber doch in circa 80% der Zeit.

Es hilft mir, alle Gedanken und Gefühle erstmal anzunehmen. Alle haben ihre Berechtigung. Alle dürfen sein. Alle bekommen Platz und Raum und Aufmerksamkeit. Nichts wird weggschoben oder zur Seite gedrängt. Alles wird gedacht, gefühlt, wahr- und angenommen. Und: ich bleibe nicht alleine mit ihnen. Sondern rede, teile.

Was hilft mir?

Mit am wichtigsten ist wohl: ich nehme Hilfe an. Leicht ist das noch immer nicht für mich, aber ich werde besser. Das ist wohl eine Sache, die mir das Mutter-sein schon jetzt deutlich gezeigt hat: ich muss nicht alles alleine machen und schaffen. Ich darf mir helfen lassen – wie auch immer die Hilfe aussieht, welche Form auch immer sie annimmt. Ob Zeit, Geld, Essen, Informationen, Zuhören oder oder oder.

Ganz grundlegend lege ich wohl derzeit noch mehr Wert auf die Basics – auf Schlaf, auf Ernährung, auf Bewegung, auf Struktur und Routinen. Plane Tage und Wochen, sortiere das Chaos mit Hilfe von Listen und Apps. Auch hier: nicht 100% der Zeit, aber auch hier ca. 80% der Zeit.

Dankbarkeit ist ein weiteres Werkzeug, dass mich stabil hält. Kein Tag vergeht, ohne dass ich nicht den Blick auf alles gute richte. Auf all die großen und kleinen Dinge, die gut laufen, die gut sind, wo das Glück an unserer Seite ist. Auf die Menschen, die uns unterstützen und an uns glauben, die uns helfen und zur Seite stehen. Dankbarkeit für ein gesundes Kind, eine gesunde Familie

Auszeiten – an Urlaub ist nicht zu denken, aber ein Tag in den Bergen (oder sogar zwei, drei – wenn man so tolle Menschen mit tollen Autos im Umfeld hat, in denen man auch mal schlafen kann und die einem dieses Auto mal für eine kurze Zeit überlassen), Tage an denen der Rechner zu bleibt, die Arbeit nichts zu melden hat. Stunden, in denen das Handy nicht beachtet wird sind wichtig und wertvoll für mich, für uns.

Alles auf Anfang?

Langsam komme ich zum Ende dieses Artikels – so schnell war wohl selten ein Blogpost entstanden. Und ich spüre, wie in mir der Drang größer wird, alles zu löschen, jetzt sofort, nicht so zu jammern und lieber am Schwangerschafts-Blogpost weiterzuschreiben oder sonst was sinnvolles zu tun.

Aber genau das und jetzt und hier ist sinnvoll. Denn schreiben hilft mir, beim Sortieren, beim Verstehen, beim Verarbeiten. Und das zu Lesen kann helfen, Euch – beim nicht alleine fühlen, beim sich verstanden fühlen, beim weitermachen.

In diesem Sinne – was auch immer in Eurem Leben gerade los ist, wie auch immer Eure letzten zwei Jahre so ausgesehen haben: Ihr rockt! Alle. Jede:r einzelne von Euch. Gestern im Guide-Gruppencoaching haben wir eine Übung gemacht, bei der die Teilnehmer:innen mal alles, wirklich alles aufschreiben sollten, was gerade so in ihrem LEben los ist. Ob Bereich (Arbeit), Aufgabe (Einkaufen), Gedanken („Ich bin zu doof!“) oder Gefühle (Einsamkeit) – alles, alles, alles einfach mal untereinanderschreiben. Ich habe mitgemacht. Und war schockiert bis überrascht, wie viele Zeilen da am Ende standen. All das wuppe ich? Wow, ganz schöner Haufen. Da ist mal Respekt angesagt!

Tut es uns gerne gleich und visualisiert auf dies Weise mal ganz konkret, was ihr jeden Tag leistet. Dann überlegt Euch, wie Ihr Euch mal was gutes tun könnt – und das hat dann bitte Priorität. Und dann sagt Ihr ein bis zehn Menschen in Eurem Umfeld, wie gut sie das gerade machen, dieses Leben. Ich fange an:

Danke von mir an mich

„Ich, Dominique de Marné, bin ganz schön stolz auf all die Dinge, die ich jeden Tag meistere. Heute und hier verspreche ich, mir bis zum 30. November folgendes gutes getan zu haben: ich nehme mir zwei mal zwei Stunden Zeit um zu schreiben. Schreiben tut mir gut und kommt seit Monaten zu kurz.

Und Lasse, Du machst das auch ganz schön gut. Und Peter, Du auch. Und Miri, Du auch. Und Natalie, Du auch. Und Conny, Du machst das übrigens auch richtig gut. Und Madeleine, Du auch. Und Lena, Du machst das auch unfassbar gut. Lu, Du machst das doppelt unfassbar gut. Eva, wie gut Du das machst kann ich kaum in Worte fassen. Und Mama, dass Du das gut machst sage ich Dir hoffentlich oft genug.“

Und jetzt Ihr!

Stress lass nach, …

… Du bist umzingelt. Ich weiß nicht, was die nächsten Wochen und Monate bringen werden. Ob wir bald wieder Land sehen, oder untergehen. Ich weiß nur, dass ich jeden Tag mein bestes gebe. Dass ich nicht perfekt bin, Fehler mache. Aber dass ich versuche, richtig zu handeln. Richtig für mich, richtig für meine Tochter, richtig für meine Familie, richtig für mein Unternehmen, richtig für meine Mission, richtig für Mental Health.

Ich versuche, nicht nur mir selbst gegenüber so viel Kindness und Compassion an den Tag zu legen, wie ich finden kann, sondern auch im Alltag mit anderen genau davon etwas mehr zu verteilen. Weil kaum eine Person, die ich kenne unberührt geblieben ist von den letzten Monate. Weil ich überall auf leere Akkus, auf ausgewachsene Berge aus Stress und auf Leute treffe, die jeden Tag ihr bestes geben.

Darin zumindest können wir uns alle unterstützen. Verständnis haben. Zuhören. Lächeln und Umarmungen verschenken. Nicht noch was oben drauf pfeffern. Nett sein. Das alles mag Stress gar nicht gern – also, lasst uns alle zusammen dem Mistkerl zeigen, dass er uns noch lange nicht geschafft hat!


Mentale Gesundheit – eine Frage des Geldes?

Lesezeit: 9 minuten

Mentale Gesundheit – eine Frage des Geldes?

Ein Gast-Beitrag von Sophia Klose, Mental Health Writer & Illustrator, zurzeit in England lebend (auf Instagram als sophias_mind_adventures unterwegs). 

Ein Blogpost darüber, dass auch mentale Gesundheit kosten darf – und damit ist nicht nur Geld gemeint. Dass wir endlich die Lücke schließen müssen zwischen physischer und psychischer Gesundheit, wenn es um Investitionen geht. Und darum, wie das aussehen kann.


Disclaimer: Ich schreibe diesen Blog für die Mental Health Crowd aus einem eigenen Impuls heraus. Es ist gewissermaßen ein freundlicher “Denkzettel” an mich selbst. Viel zu lange habe ich selbst immer wieder gezögert, in meine psychische Gesundheit zu investieren. Darum ist das nun quasi ein öffentliches Bekenntnis: ich will und werde in Zukunft mehr für meine Psyche tun.  

„Mark my words (and perhaps remind me every now and then)!” 


Wie viel Zeit, Geld und Liebe habe ich heute / diese Woche / diesen Monat / dieses Jahr / mein bisheriges Leben in meine mentale Gesundheit investiert? Und wie steht das im Verhältnis zu dem, was ich bewusst für meine körperliche Gesundheit getan habe?  

Meine persönliche Antwort auf diese Frage? Ist wohl das Emoji mit den geweiteten Augen und den unübersehbar erröteten Wangen. Ja, dieses Scham-Smiley: ? Wobei… es smiled ja eigentlich nicht. Vielmehr ist der Mund ein ziemlich betretener, waagerechter Strich. 

Natürlich gibt es bei körperlicher und geistiger Gesundheit viele Überschneidungen. Was der einen Gesundheit gut tut, stärkt oftmals praktischerweise auch die andere. Worüber ich hier schreiben möchte, ist vor allem die Frage der Intention. Habe ich mir den leckeren (aber etwas teuren) Joghurt mit Walnüssen und Blaubeeren gerade gemacht, weil ich weiß, das ist gutes “brain food” oder weil schon wieder lange vor der Mittagspause mein Magen knurrt? Bei mir ist es in 99% der Fälle wohl immer noch eine klare Bauchentscheidung. Die Intention: meinen Hunger stillen. An meine geistige Gesundheit denke ich beim Essen immer noch sehr wenig. Auch wenn es zum Thema Ernährung und mental health mittlerweile viele interessante Studien gibt. 

Eine kleine Anekdote

Wenn man die eigene psychische Gesundheit eine längere Zeit vernachlässigt, beschwert sie sich irgendwann. Und das nicht immer auf die netteste Art und Weise. Pünktlich zum Jahresanfang 2021 musste ich zum zweiten Mal in sechs Monaten meine berufliche Karriere auf Eis legen.

Beim ersten Mal war es eine Covid-19 bedingte Entlassung gemeinsam mit vielen anderen Kollegen. Beim zweiten Mal war es eine bewusste Entscheidung für meine geistige Gesundheit, die sich mit immer häufiger auftretenden Panikattacken bei mir Gehör zu verschaffen versuchte  – „zufällig“ genau immer morgens vor Arbeitsbeginn. Das ging schon ein paar Monate so.

Im Januar war es dann höchste Zeit, die Notbremse zu ziehen. Trotz mangelnden Plan Bs und dem unbequemen Gedanken, dass eine globale Pandemie wohl die schlechteste Zeit ist, um einen sicheren Job aufzugeben, waren Angst und Panik nach der Kündigung zumindest kurzzeitig weg und es stellte sich eine stille Erleichterung ein. Bevor dann der Selbstzweifel in Form von sehr aggressiven, fiesen, (selbst-)verletzenden Vorwürfen ankam. Kostprobe gefällig?  

“Sophia, du [hier Ausdruck einfügen]! What the f*** are you doing? Wer hat dir erlaubt hier einfach mal auf arbeitslos zu machen? Wie willst du das vor deinen Eltern, Freunden, Nachbarn erklären? So und jetzt heulst du natürlich wieder!”  

Sophia und der innere Prolet… oder Prophet? 

Das zweite Mal in meinem Leben war eine (privat finanzierte) Gesprächstherapie dringend erforderlich. Und dieses Mal, trotz der finanziellen Unsicherheit, habe ich nicht erst mehrere Monate überlegt, ob ich mir das leisten kann und darf.  

Schon nach ein paar Sitzungen waren meine Proleten-Selbstzweifel etwas weniger laut. Es gab die prophetische Erkenntnis: so will ich eigentlich nicht weiterleben. Ich würde gern netter zu mir sein. Diese ganze Selbstzerfleischung ist echt anstrengend! Da kam ich auf die Idee, mal wieder beim BERG & MENTAL Online Shop reinzuschauen. Während des ersten Lockdowns im Mäz 2020 hatte ich da einen sehr inspirierenden Vortrag zum Thema “Resilienz” (unsere psychische Widerstandsfähigkeit) entdeckt und sofort gebucht. Gibt es also vielleicht wieder irgendein “Ding” oder eine “Veranstaltung”, dass / die meiner Psyche jetzt guttun könnte? 

Was in mir innerlich sofort eine Saite zum Klingen gebracht hat, war ein Selbstmitgefühl-Kurs. Nur der Preis von 199 Euro, hat dann diese schöne, stimmige Melodie recht schnell zum Verstummen gebracht. Und überhaupt: sollte ich Selbstmitgefühl im Alter von 30 Jahren nicht schon längst gelernt haben?! Side Note: zur selben Zeit spielte ich mit dem Gedanken, mir ein paar schicke neue Sportschuhe zu kaufen, die preislich gut mit dem Selbstmitgefühl-Kurs mithalten konnten, aber um einiges weniger Grübeleien verursacht haben… 

Geld oder Leben?

Dann habe ich das mal durchgerechnet: Für 6 Termine betreut durch eine Therapeutin war das ein total fairer Deal. Zum Glück war es auch noch nicht zu spät zum Buchen. Ich machte die Überweisung und fühlte mich danach so “smug” (wie die Engländer sagen)  so selbstzufrieden  wie lange nicht mehr. Gern hätte ich ein Live-Interview bei BBC News gegeben:  

“Schaut her, ich habe gerade richtig viel Geld für diesen Kurs bezahlt  und das alles für meine geistige Gesundheit, von der ich bis zu meinem 26. Lebensjahr nicht mal wusste, dass sie existiert. Toll, nicht wahr?”  

Leider ist dieses Interview nicht zustande gekommen. Also habe ich dann selbst auf Instagram eine Story mit einem tanzenden Kermit-Frosch gepostet um meiner Freude Ausdruck zu verleihen. 

Ein paar Tage später: “Liebe Sophia, es tut uns so leid, aber du warst die Einzige, die diesen Kurs gebucht hat. Darum findet er jetzt erst mal nicht statt. Vielleicht im Herbst dann.” Was?! Diese Nachricht vom BERG & MENTAL hat mich erschüttert. Sollten solche Kurse nicht gerade Hochkonjunktur haben? Klar, dass man mittlerweile das Online-Format ein bisschen satt hat, wäre für mich ein nachvollziehbares Argument. Auch, dass man in dieser schwierigen Zeit  einen enger geschnürten Geldbeutel hat. 

Aber aufgrund meiner eigenen, hier geschilderten Erfahrungen habe ich auch ein bisschen das Gefühl: es ist in unserer Gesellschaft vielleicht einfach noch nicht “normal” genug, dass man auch größere Investitionen in seine geistige Gesundheit macht. Vor allem nicht erst dann, wenn man schon weit draußen im schwarzen Meer aus Depression, Angst und Co treibt. 

Balance finden

Darum eben auch dieser Blogbeitrag für Euch. Wenn es eine Zeit gibt, in der man sich umso mehr um seine mentale Gesundheit kümmern sollte – nicht zuletzt, um auch anderen Menschen seelische Unterstützung geben zu können – dann ist das wohl JETZT in dieser immer noch andauernden Chaos-Pandemie. 

Es geht dabei nicht darum, Euch jetzt ein schlechtes Gewissen zu machen. Ich sage auch nicht: los Leute, kauft alles, was ihr im Berg & Mental Shop virtuell kriegen könnt. Wobei… doch, das möchte ich schon sagen, denn Deutschlands erstes Mental Health Cafe kämpft bekanntlich immer noch um seine Existenz. Also bitte schon mal schnell einen neuen Browser-Tab öffnen! ;) 

Was ich im Folgenden vorschlagen möchte, ist die Idee, eine bessere Balance zu finden zwischen den Investitionen, die man für den Körper und für die Seele tätigt. Denn beides zusammen ist ein großer Schatz, den es wie ein Drache zu hüten gilt (in unserem hektischen Alltag oft leichter gesagt als getan). 

Reminder-Liste

Um dieses neue Bewusstsein zu schaffen,  habe ich für mich selbst die folgende Liste mit (sehr subjektiv gewählten) Vergleichen aufgestellt. Das soll mir helfen, mich immer mal wieder zu fragen und zu erinnern: Was stärkt meinen Körper und was tut meiner Seele gut? Wo gibt es Überschneidungen? Warum lohnt es sich, sowohl in die eine als auch in die andere Gesundheit zu investieren? Was genau hat man von den einzelnen Investitionen? Da ich ein visuell lernender Mensch bin, werde ich mir das vielleicht sogar noch auf einer Pinterest Pinnwand verbildlichen. 

 GUT FÜR DEN KÖRPER    GUT FÜR DIE PSYCHE  
Fitnessstudio-Mitgliedschaft  Ohne Frage eine große Investition (Zeit und Geld). Es ist nicht immer leicht, die Sache durchzuziehen. An manchen Tagen will man lieber auf der Couch sitzen und Chips essen. Es kann viel negative Energie abbauen, aber man muss dafür eben auch richtig was tun. Wer am Ball bleibt, kann langfristig tolle Erfolgserlebnisse haben. Man spürt sich wieder mehr. Man wird sowohl innerlich als auch äußerlich stärker und ausgeglichener. Hin und wieder hat man ziemlich Muskelkater, aber das ist ein gutes Zeichen – der Körper arbeitet, neue Muskeln bauen sich auf. Manchmal wird man auch ein paar überflüssige Pfunde los (but no pressure, please!).  Therapie-Stunden  Ohne Frage eine große Investition (Zeit und oft Geld). Es ist nicht immer leicht, die Sache durchzuziehen. An manchen Tagen will man lieber auf der Couch sitzen und Chips essen. Es kann viel negative Energie abbauen, aber man muss dafür eben auch richtig was tun. Wer am Ball bleibt, kann langfristig tolle Erfolgserlebnisse haben. Man spürt sich wieder mehr. Man wird vor allem innerlich stärker, aber das kann dann oft auch von außen bemerkt werden. Hin und wieder kommen schmerzhafte Erinnerungen und Gedanken hoch. Das erschöpfte Gefühl nach einer besonders intensiven Therapiestunde könnte man als “Seelenkater” bezeichnen. Das ist aber meist gut: man wächst und verändert sich. Man wirft seelischen Ballast ab.  
Hippe neue Kochbox (alles Bio-Qualität!)  Inspiration mal was Neues auszuprobieren, man muss ein bisschen Zeit zum Ausprobieren einplanen, tolles Erlebnis für alle Sinne und vor allem für den Magen.  Mental Health Rocks Box  (mit viel Liebe zusammengestellt) oder die BuddyBox  Inspiration mal was Neues auszuprobieren, man muss ein bisschen Zeit zum Ausprobieren einplanen, tolles Erlebnis für alle Sinne und vor allem für die Psyche.  
Full Body Massage  Löst Verkrampfungen und Verknotungen im Körper. Man fühlt sich danach leichter und vor allem gut durchgeknetet. „Hey, ich war letztens 15 Minuten Joggen, jetzt habe ich mir aber wirklich eine gute Massage verdient. Preis ist dreistellig? Egal!“Gutes Buch über Mental Health   Löst Verkrampfungen und Verknotungen im Gehirn (vor allem gesellschaftliche Stigmata). Man fühlt sich danach weniger allein, versteht mehr über sich selbst und andere.  Meine ganz persönliche Empfehlung: alle Bücher von Matt Haig oder vielleicht das schöne Bilderbuch “Mein Schwarzer Hund” von Matthew Johnstone   
Neue Hautpflegecreme  (mit Anti-Ageing Effekt!)  Pflegt und verwöhnt hauptsächlich die Haut. Beugt Falten vor und wenn man beide Augen schließt und ganz fest dran glaubt, verschwinden auch die schon existierenden Falten. Wer will schon alt aussehen!  Aromaspray  (z.B. von Mirins Copenhagen)  Pflegt und verwöhnt Geist und Körper, also zwei in eins! “Ganz schön dufte!” Ultimative Self-Care! Wenn man beide Augen schließt und den beruhigenden Duft von Lavendel einatmet, verschwinden die Sorgenfalten im Nu!  
Protein-Schokoriegel mit echten Kakaobohnensplittern  Energy Boost mit wenig Aufwand, kostengünstig. Setzt Endorphine frei, man fühlt sich wenigstens einen kurzen Moment lang “energised”. Das Erlebnis kann noch schöner sein, wenn man es mit jemandem teilt.  Eine schöne Postkarte schreiben   Happiness Boost mit wenig Aufwand, kostengünstig. Setzt Endorphine frei, man fühlt sich wenigstens einen kurzen Moment lang happy. Das Erlebnis kann noch schöner sein, wenn man es mit jemandem teilt.  

Wie man hier sieht, gibt es wirklich viele schöne Dinge, die sowohl dem Körper als auch der Psyche gut tun. Es liegt an uns selbst, eine gute Balance zu finden zwischen dem kleinen und großen Vergnügen oder auch den vielleicht notwendigen Investitionen, die man bewusst für die körperliche und / oder für die seelische Gesundheit tut.  

Mehr als „nur“ Geld

Manchmal kostet es kein Geld, sondern nur ein bisschen Zeit: ein Spaziergang im Grünen. Auch wenn viel los ist: einen Moment lang draußen das Gesicht in die Sonne halten, bevor man wieder im Home Office verschwindet.

Einen Urlaubstag buchen und sich selbst ein kleines Entspannungsprogramm zusammenstellen.

Wieder mehr Tagebuch schreiben.

Eine gratis Meditations-App runterladen (neben Headspace gibt es eine tolle neue App, die einem auch was über Verhaltenspsychologie beibringt: Atom).

An einer Selbsthilfegruppe teilnehmen (kann vor allem bei längerfristigen Herausforderungen wie einer ernsthaften Erkrankung helfen).

Sich ein bisschen mehr Schlaf nachts oder auch mal tagsüber gönnen – das hilft unter anderem, die Gefühle zu regulieren.  

Investieren lohnt sich

Und am Ende meines Beitrags, habe ich noch einen Vorschlag: Einfach heute schon mal anfangen, ein paar Ideen zu sammeln. In dem neuen Tab könntet ihr jetzt zum Beispiel die Adresse von der Mental Health Crowd speichern: www.mentalhealthcrowd.de (falls ihr das nicht schon getan habt ?). 

Wie könntet ihr eurer Seele etwas Gutes tun? Ist es nach all dem Corona-Stress vielleicht angebracht, mal wieder eine größere Investition zu tätigen? Es lohnt sich, einmal aufzuschreiben, was man im Alltag bereits bewusst für die Psyche tut. Wie bei der körperlichen Gesundheit geht es mehr um Regelmäßigkeit statt um die Dauer der Aktivität oder Entspannung.  

Zum Beispiel: einen 15-minütigen Spaziergang nach der Arbeit einplanen – jeden Tag. Die Routine macht es mit der Zeit einfacher und “normaler”, sich aktiv um das eigene Seelenwohl zu kümmern. Zu den bereits existierenden Dingen kann man nach und nach ein paar neue Ideen hinzufügen. Da merkt man dann auch: mental health kann durchaus Spaß machen! Wer lernt nicht gern etwas Neues, womit man dann beim nächsten Zoom Smalltalk ganz beiläufig angeben kann? 

In diesem Sinne: zögert bitte nicht zu investieren – ob kleines oder großes Investment: Zeit, Geld, Liebe… Hauptsache immer mal wieder auch ein bisschen an die eigene Psyche denken. Oder jemand anderem ein Mental Health-Geschenk machen. Hatte ich schon erwähnt, wo man da am besten fündig wird? =)

Bye for now! 


Gedanken dazu von Dominique

Dieser Beitrag entstand sozusagen ohne mein Zutun =) Ich hatte mitbekommen, dass Sophia etwas für uns schreiben wollte, und das Rebecca deswegen in Kontakt mit ihr war. Aber worum es in dem Beitrag gehen sollte hab ich erst erfahren, als er dann bei mir im Maileingang lag.

Erster Gedanke: die Leser werden doch alle denken, dass wir Sophia gebeten haben, so was zu schreiben damit Ihr den Guide, Bücher oder sonstiges in unserem Shop kauft – das können wir doch nicht machen.

Zweiter Gedanke: Sophia hat so recht! Und ist nicht eines unserer Ziele, den Menschen beizubringen, dass auch mentale Gesundheit etwas kosten darf?

Interessanterweise ist tatsächlich noch die weit verbreitete Meinung bzw. Erwartungshaltung, dass Angebote rund um Mental Health doch bitte kostenlos oder zumindest kostengünstig sein sollen. Und leider ist die „Mental Health Szene“ daran nicht ganz unschuldig.

Da stehen auf der einen Seite gemeinnützige Vereine und Organisationen, die mit Ehrenamtlichen, Dank Förderungen durch Krankenkassen und Co irgendwie ihre Arbeit tun können, aber auf die Gelder von außen angewiesen sind. Die sich nicht trauen, für ihr Tun Geld zu verlangen und durch diese Abhängigkeit häufig recht unflexibel sind (all das sage ich, ohne die Leistung dieser vielen Menschen und die Wichtigkeit ihrer Arbeit klein reden zu wollen – denn ohne sie würde es vielen Menschen in Deutschland, die mit psychischen Problemen zu tun haben, noch schlechter gehen).

Gesundheit – eine Frage des Geldes?

Und auf der anderen Seite finden wir teure Coaches, dubiose Angebote an den Rändern der Therapielandschaft und fragwürdige Konzepte für teures Geld, die aber trotzdem Abnehmer finden, da viele Leute einfach so verzweifelt sind und vom Versorgungssystem im Stich gelassen werden, dass sie diese Angebote annehmen.

Weil sie es sich leisten können. Denn ja: es macht einen Unterschied, ob/wie viel Geld ich habe und ob hier etwas übrig ist, das ich für meine mentale Gesundheit ausgeben kann.

Wo wir uns in diesem Land aber nicht so richtig rausreden können (jedenfalls finanziell, Versorgungslage und Wartezeiten mal kurz beiseite gelassen) ist Therapie. Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen Therapie in vielen Fällen von den Krankenkassen übernommen wird und man nicht selber dafür zahlen muss. Was ein Luxus!

Trotzdem müssen wir auch hier etwas aufwenden – nicht Geld, aber eben andere Ressourcen: Zeit und Energie. Und auch diese sind in unserer Gesellschaft nicht gleichmäßig verteilt, bzw. stehen im indirekten Zusammenhang mit dem finanziellen Background. Habe ich Geld, kann ich mir ein Kindermädchen leisten dass auf meine Kinder aufpasst, während ich zur Therapie gehe. Bin ich alleinerziehender Vater mit begrenzten Mitteln ist es ungleich schwieriger, kostet mehr Kraft und Aufwand, eine Therapie zu starten.

Geld = Gesundheit = Glück?

Geld und mentale Gesundheit hängen zusammen, beeinflussen einandern. Nicht unbedingt in dem Maße, dass mehr Geld gleich mehr Gesundheit gleich mehr Glück bedeutet. So einfach ist der Zusammenhang dann doch nicht.

Wenn wir über Geld, mentale Gesundheit und Prioritäten sprechen müssen wir anerkennen, dass es sich derzeit (noch) um ein Privileg handelt, sich um die eigene mentale Gesundheit kümmern zu können (das sieht bei der körperlichen Gesundheit nicht viel anders aus. Auch hier sind klare Zusammenhänge zwischen Gesundheitsstatus und sozioökonomischem Hintergrund nachweisbar).

Und ja, das ist schlimm. Denn es sollte kein Privileg, keine Frage von Glück oder Geld sein, sondern selbstverständlich und für alle im erforderlichen Maße verfügbar. Unabhängig vom Kontostand sollten alle Menschen den gleichen Zugang zu den gleichen Angeboten haben – von Prävention über Therapie.

So weit sind wir leider noch nicht.

Neben den Versuchen, das zu ändern können wir als Unternehmen derzeit also nur das Bewusstsein und die Bereitschaft bei den Menschen fördern, die Ressourcen zur Verfügung haben. Können zeigen und vorleben, dass und was man für die mentale Gesundheit alles tun kann – und was passiert, wenn wir es nicht tun.

In diesem Sinne danke ich Sophia (und Rebecca) sehr für diesen Artikel. Wir müssen dieses Problem deutlicher ansprechen – das habt Ihr hiermit getan und ich unterstütze jedes Wort.


Hallo Resilienz!

Lesezeit: 8 minuten

Hallo Resilienz!

Ein Beitrag, auf den ich mich sehr freue. In dem ich mit Euch teile, wie ich ein Etwas namens Resilienz in meinem Leben entdeckte. Und in dem es eine lange überfälliges Update gibt, was 2020 eigentlich so mit mir, mit uns, gemacht hat.


Zum ersten Punkt, warum ich mich auf diesen Beitrag freue: Weil ich mir endlich mal wieder Zeit nehme. Zeit zum Schreiben, Zeit, meine Gedanken zu sortieren und mich Euch zu teilen. Wie oft, wie lange habe ich mir jetzt schon vorgenommen, auf meine diversen ToDo-Listen geschrieben „Blogpost“. Und immer kam etwas dazwischen, war etwas dringender, brannte etwas noch mehr.

Und das, obwohl ich doch weiß, wir gut es mir tut, schreibend mein Leben, meine Gedanken, die Welt zu sortieren. Dabei gab es in den letzten Monaten wahrlich genug zu Sortieren. Und auch obwohl diesem Blog eigentlich so viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit gehören sollte. Wo doch hier, auf diesen Seiten, vor mittlerweile mehr als fünf Jahren, alles angefangen hat. Meine Recovery, meine Reise. Die Reise, die heute zu einem Sozialunternehmen, zu einer ganzen Crowd herangewachsen ist.

Und genau darum, dass ich mir und Euch jetzt endlich wieder diese Zeit gebe, sie mir nehme – darüber und darauf freue ich mich.

Danke, 2020!

Nein, das meine ich nicht ironisch. Und ja, 2020 war schwer. War hart, war anstrengend, war herausfordernd, war anders als erwartet. Aber es gab sie auch, die guten Dinge.

Anfangen werde ich trotzdem mit dem nicht so schönen. Mit dem Überlebenskampf, den wir als Unternehmen seit März 2020 führen. Weil wir nach unserer Gründung der Mental Health Crowd GmbH und der Eröffnung des BERG & MENTAL 2019 wohl mit allem gerechnet haben, aber nicht damit, dass uns schon kurze Zeit später eine weltweite Pandemie fest in ihren Griff nehmen würde.

Beruflich befinde ich mich also seit Monaten im Krisenmodus. Jeden Monat müssen wir wieder bangen, ob wir es schaffen. Immer wieder lassen wir uns neue Dinge einfallen, um dann doch an den nächsten Auflagen zu scheitern. Arbeiten noch mehr, noch härter als davor – um am Ende immer noch mit Angst und Sorgen dazu stehen.

Und das, obwohl wir gleichzeitig merken, wie wichtig unser Thema, unsere Arbeit jetzt gerade sind. Wo wir an allen Ecken und Enden sehen, wie Leute mit der Situation kämpfen – nicht nur körperlich. Wie auch bei ihnen Ängste und Sorgen präsent sind. Wie in Fernsehstudios und Zeitungsartikeln auf einmal mentale Gesundheit mit in den Fokus rückt. Wo wir Nachrichten und Anfragen bekommen mit der Bitte um Ratschläge, Dankbarkeit für unsere weiter laufenden Angebote.

Aber wir können nur mit zusammen gebundenen Beinen laufen. Denn an erster Stelle steht gerade ein Thema, das uns doch eigentlich so furchtbar unwichtig ist: Geld.

The bigger picture…

Und das ist aber dann auch immer wieder der Punkt, an dem ich merke, wie gut es uns eigentlich geht. Wenn Geld unsere größte Sorge ist, dann muss ansonsten ganz schön viel stimmen in unserem Leben.

Und ja, ich bin verflucht dankbar in einem stabilen Land, mit einer stabilen und docher eher als fähig zu bezeichnenden Regierung zu leben. Einem Land, in dem das Gesundheitssystem gut aufgestellt ist, in dem einen der Sozialstaat verhältnismäßig weich fallen lässt. In dem ich ein Dach über dem Kopf habe, gesund bin, nicht frieren muss, es Leitungswasser gibt, ich Kleidung zum Anziehen habe, es keinen Krieg gibt, ich nicht auf der Flucht bin, … .

Ja, die Situation ist schwierig, belastet mich sehr – wenn ich eine Wahl hätte, dann sähe sie bestimmt nicht so aus. So lange mein Worst-Case-Szenario (und das haben wir in den letzten Monaten diverse Male durchgespielt), dank Familie und Freunden, dank Sozialstaat und Frieden, quasi nichts am vorangegangen Absatz verändert, so lange darf ich mich weiterhin glücklich schätzen.

Und ja, auch 2020 hatte schöne Momente, kleine Lichtblicke und Highlights: mit dem VW-Bus eines Freundes in den Bergen übernachten zu dürfen; Sonnenuntergänge, die unsere Wohnung in atemberaubend schönes Licht tauchen; seltene und wertvolle Umarmungen (manche mit umgedrehter Jacke und Kapuze über dem Gesicht); unerwartete Briefe und Postkarten mit warmen Worten; das erste Mal in kurzer Hose Fahrrad fahren; morgens durch den fast leeren Englischen Garten laufen; eine Rote-Panda-Handpuppe geschenkt bekommen; schöne Gespräche mit lieben Menschen; leckeres Essen und alkoholfreier Sekt; spannende Bücher und gute Filme, …

… und die andere Seite der Gefühle

Das alles heißt nicht, dass sie nicht auch da sind: die Momente, in denen ich vor Wut und Ungerechtigkeit toben und schreiben möchte. In denen die Sorgen und Ängste so groß werden, dass ich fast unter Ihnen begraben werde. In denen ich verzweifelt mit anschauen muss, wie Staatsgelder in Richtungen fließen, die ich nicht verstehe während Unternehmen wie unseres, die das Land nachhaltig verändern und verbessern wollen, im Regen stehen bleiben; wie Menschen auf der Straße keinen Abstand halten und durch Ihr Verhalten nicht nur Menschenleben in Gefahr sondern auch Existenzen wie meine weiterhin bedrohen.

Und all das darf sein, ist gut. Nur weil ich in einer privilegierten Lage bin, darf ich trotzdem all diese Gedanken und Gefühle haben (mehr dazu auch im Post Mental Health & Corona).

Immer wieder wird uns dieser Tage gesagt, wie toll es ist, dass wir weiter machen, weiter kämpfen, nicht aufgeben. Diese Option ist in unseren Köpfen irgendwie trotz aller Tiefs nie aufgekommen. Selbst im Fall, dass wir das BERG & MENTAL nicht halten können (was leider immer wahrscheinlicher wird, daher auch unser 3. Crowdfunding „Mental Health ist systemrelevant“), selbst dann wäre das ja nicht das Ende unseres Sozialunternehmens, unserer Arbeit – meiner Mission, die inzwischen auch die Mission anderer Menschen geworden ist.

Was macht die Crowd?

Im ersten Lockdown – wir wussten ja alle damals noch nicht, was auf uns zukommen würde – war der Schock groß. Die Energie aber auch noch, weil wir – wie vermutlich viele von Euch – dachten „Das ist nur von kurzer Dauer!“ So haben wir nicht nur unser Programm auf Online umgestellt, den Shop auf der Website ausgebaut – und natürlich auch das restliche Jahr vorbereitet geplant.

Aus vielen dieser Pläne wurde nichts – die reingesteckte Arbeit war umsonst. Die wenigen Wochen, die das BERG & MENTAL seit seiner Eröffnung wirklich geöffnet war (mal abgesehen von den ersten drei Monaten, die einfach nur überwältigend waren), waren so ganz anders, als wir es uns vorgestellt hatten. Und das tut wohl auch am meisten weh: diesen Ort so leblos zu sehen. Dezember 2019, Januar und Februar 2020 konnte er zeigen, was er alles kann. Was ein Ort verändern kann. Um danach wieder monatelang einfach nur ein Raum zu sein. Das schmerzt, nicht nur ob des vielen Herzbluts, das so viele Menschen dort hineingesteckt haben.

Wie wir uns bisher über Wasser gehalten haben? Nun, die Zeit seit unserer Gründung war definitiv zu kurz, um irgendwelche Rücklagen bilden zu können. Die erste Runde Soforthilfe haben wir noch bekommen, danach sind wir bisher durch die Raster aller staatlichen Hilfsprogramme gefallen. Mal gibt es uns zu kurz, mal ist unser Konzept das Problem (obwohl es ja eigentlich die Lösung ist). So haben uns weitere Privatkredite, unser Lockdown-Nummer-1-Crowdfunding, zahlreiche Minuten-Supporte, Einkäufe im Online Shop, Raum-Vermietungen und auch die vielen Online-Vorträge und Workshops über Wasser gehalten.

Und im Zuge eines dieser Workshops war es dann auch, dass mir bewusst geworden ist: dass ich bisher so „gut“ durch die Krise gekommen bin, liegt an meiner Resilienz (und gleiches gilt für unser Unternehmen).

Überraschung: Eine Ladung Resilienz

Die Workshops reichten von Unternehmen bis zu Bundesfreiwilligendienstlern, von Studenten bis zu politischen Organisationen, von Lesung zu Online-Panel-Diskussion mit Teilnehmern aus ganz Europa. Und ja, diese Arbeit macht enorm Spaß, wäre in echt und offline, von Angesicht zu Angesicht noch schöner gewesen. Vor allem hat sie uns aber – mit – über Wasser gehalten.

An den Anfragen haben wir gemerkt, was Corona auch mit den Köpfen der Leute macht. Die Bandbreite reichte von „Mental Health FAQ“ zu Erfahrungsberichten hin zu „Wie bleibe ich mental gesund?“ und noch vieles anderes. Und auch wenn ich mich auf jeden Workshop ausführlich vorbereite, Präsentationen erstelle, mir Abläufe überlege – selten sind die Themen für mich neu sondern ich darf bereits vorhandenes Wissen weitergeben.

Auch über Resilienz weiß ich eigentlich Bescheid. Das ist eben unsere psychische Widerstandskraft, es gibt verschiedene Faktoren, die zu ihr beitragen… nichts neues für mich. Und doch: als ich mich für einen Workshop etwas näher mit dem Thema beschäftige war es, als würde mir ein Licht aufgehen. Ich ging die einzelnen Faktoren (auch Säulen genannt) durch – und fand mich in jeder von ihnen wieder. Und nicht nur mich, sondern auch unser Sozialunternehmen.

Von außen mag das vielleicht seltsam aussehen „Na klar bist Du resilient, Dominique, ist doch offensichtlich!“ Aber mir ist wirklich erst im Dezember 2020 klar geworden, dass ich es bin, dass ich es bleiben möchte und dass sich jeder Schritt auf dem Weg hierhin gelohnt hat.

Hallo 2021!

Und mit so einer Erkenntnis ins neue Jahr zu starten, ist natürlich eine ganz schön schöne Sache. Ich kann keine Rechnungen mit Ihr zahlen oder die Pandemie beenden, aber ich kann darauf vertrauen, dass diese Fähigkeiten mir auch in den kommenden Monaten helfen werden.

Wie gerne würde ich, würden wir als Mental Health Crowd, würden wohl viele von Euch einfach mal planen können, Sicherheit haben, wie es weitergeht. Ist aber leider noch nicht in Sicht, ein Ende des Ausnahmezustandes.

Ich weiß, dass ich noch länger mit einem Akku leben muss, der mir keine 100% Leistung erlaubt. Denn auch ohne Corona wäre 2020 für uns eine Challenge gewesen. Und auch 2019 war für uns ein eher anstrengendes Jahr (1. Crowdfunding, Eröffnung BERG & MENTAL samt Umbau, …). Was bedeutet, ich gehe nun ins dritte Jahr unter sehr anspruchsvollen, kraft raubenden Bedingungen. Ohne Urlaub, ohne Auszeit.

Mit der Gründung des Unternehmens, und auch schon davor mit der Entscheidung für die Selbstständigkeit, habe ich mich für viel Arbeit entschieden. Das ist auch ok. Ich konnte nur nicht ahnen, dass eine solch enorme Krise zusätzlich über Monate hinweg meine Akkus leer saugen würde.

An Urlaub oder einen Auszeit ist auch weiterhin nicht zu denken. Mal ein oder zwei (oder an Weihnachten auch mal drei) freie Tage, mal ein Ausflug in die Berge – das muss derzeit reichen. Und das tut es auch, solange ich keine 100% von mir verlange. Denn das wäre nach den hinter mir liegenden Monaten nicht nur unrealistisch, sondern ungerecht.

Und so werden mir auch 2021 die Dinge helfen, die mir bisher geholfen haben: Meine Struktur, meine Routinen. Auf meinen Körper zu achten, genug zu schlafen, mich zu bewegen und (meistens) gesund zu ernähren. Auf meinen Kopf zu achten, in dem ich Gedanken und Gefühle nicht wegschiebe, sondern teile. In dem ich meditiere, achtsam bin und mir Pausen gönne.

Was kommt?

Und eine Sache, die mir geholfen hat und die mir wohl weiterhin helfen wird, ist unser neues Baby, der MENTAL HEALTH GUIDE.

Es ist ein Corona-Lockdown-Baby, das geben wir offen zu. Entstanden in der Zeit, als klar war, dass die offline-Welt lange nicht wieder so sein würde, wie wir es mal gewohnt waren (mit einem geöffneten BERG & MENTAL, mit Umarmungen, Workshops und Vorträgen, bei denen mehr als fünf Menschen in einem Raum sitzen dürfen). Und in der auch klar wurde – zumindest uns – dass dieser Virus uns nicht nur körperlich, sondern auch mental zusetzen würde.

So habe ich im Frühjahr 2020 endlich angefangen, Lasses schon länger bestehenden Traum eines Online-Kurses mit zu träumen. Das ging aber erst, sobald ein Konzept stand, hinter dem ich voll und ganz stehen kann. Ich wollte nicht den x-ten „Finde Dich selbst“ oder „Stressmanagement“-Kurs ins Internet werfen. Sondern etwas erschaffen, dass es so noch nicht gab, von dem ich aber überzeugt bin, dass es mein Leben verändern hätte können – und hoffentlich vielen Menschen helfen wird.

In vielen Monaten Arbeit entsteht seither unser MENTAL HEALTH GUIDE – Der Grundkurs für mentale Fitness. In 12 Modulen geht es um all die Dinge, die beeinflussen, wie es uns mental geht. Im Grunde ist es Wissen, dass ich gerne in der Schule gelernt hätte: Wie gehe ich mit Gefühlen um? Wie beeinflussen sich körperliche und mentale Gesundheit? Wie verhalte ich mich in Konflikten? Kann ich meine mentale Fitness trainieren – und wenn ja, wie? Was passiert, wenn ich mich nicht um sie kümmere?

Dieser Tage gehen die ersten Module online. Im Verlauf des Frühjahrs die verbleibenden. Damit bin ich gut beschäftigt. Und auch das gibt mir Halt. Und Hoffnung. Der Guide ist eine Möglichkeit, nach vorne zu schauen und zu arbeiten – und nicht nur zu sehen, was gerade alles im Moment nicht geht.

Resilienz, die 2021te?

Bei aller Unsicherheit gibt es hier also eine Sache, an der ich mich zumindest für einige Wochen noch festhalten kann. Was danach passiert, was 2021 noch so bringen wird – wer weiß das schon?

Wenn 2020 uns gezeigt hat, wie wichtig Achtsamkeit ist, die Fähigkeit, einfach im Hier & Jetzt zu sein und sich nicht in unsicheren Zukunftsszenarien zu verheddern, dann gibt es das hoffentlich an 2021 weiter.

Und ich weiß, 2020, Du musstest Dir viele Beschimpfungen anhören. Musstest viel über Dich ergehen lassen. Dabei kannst Du nichts dafür (wenn, dann können wir Menschen uns an die eigenen Nase fassen, denn wenn wir aus Dir nichts lernen wird das bestimmt nicht die letzte Pandemie Ihrer Art gewesen sein).

Ich möchte mich aber auch bei Dir bedanken. Für die vielen kleinen und großen Highlights. Dafür, dass Du mir meine Resilienz gezeigt hast. Für den Support, den wir aus unserer Crowd, unserem Umfeld, von Freunden und Familien bekommen. Danke für den Reset-Knopf, den viele Menschen auch dazu genutzt haben, Dinge zu überdenken oder Schritte zu gehen, die sie ohne Dich vielleicht nicht gegangen wären. Danke, dass Du Verhältnisse und Missstände ans Licht gerückt hast. Dass Du uns dabei helfen wolltest zu zeigen, was wirlklich wichtig ist. Ich weiß nicht, ob alle da draußen es nun verstanden haben, hoffe aber sehr, dass ein wenig was davon hängen bleibt. Danke, 2020!

Und Hallo, 2021! Ich bin sehr gespannt, mit was Du uns überraschen wirst. Ich freue mich auf die kleinen und großen Highlights, die Du für uns bereit halten wirst und wünsche Dir von Herzen, dass den Menschen der Abschied von die schwerer fallen wird als von Deinem Vorgänger. Dass Du zum Abschied mit Lob und Liebe überschüttet werden wirst – auch wenn Du vielleicht nicht ganz so viele Lektionen im Gepäck gehabt hast. Ich und meine Resilienz, wir freuen uns auf Dich!


Interview: Mental Health & Tattoos

Lesezeit: 5 minuten

Mental Health geht unter die Haut

Für die einen sind Tattoos einfach nur schön, für andere ein Symbol, eine Erinnerung an gewisse Momente, Menschen oder Worte, die immer sichtbar auf der Haut getragen werden sollen. Auch in Zusammenhang mit Mental Health sind Tattoos immer wieder ein Thema. Ob zum Überdecken von Narben, als Belohnung nach harten Zeiten oder als Reminder, der einen täglich an die Auf und Abs des Lebens erinnert.

Zum diesjährigen World Mental Health Day haben wir uns gemeinsam mit der Münchner Tattoo-Artist Peshy von Hola Papaya Tattoo eine besondere Aktion überlegt: den ganzen Tag über wird im BERG & MENTAL tätowiert – für den guten Zweck. Die Einnahmen gehen an uns, die Besucher bekommen dafür ein Mental Health Tattoo. Genaue Infos zu der Aktion findet Ihr auf Facebook und Instagram.


Interview mit Peshy

Vorab, haben wir uns mit der wundertollen Peshy unterhalten. Warum Tattoos sooo verdammt viel mit Mental Health zu tun haben, was sie da so eigentlich treibt in ihrem Studio und wie sie dazu kam mit Ende 20 noch einmal komplett neu anzufangen. Seid gespannt und freut euch, die fabelhafte Peshy und ihre Kollegin Feffy bei uns im Laden kennenzulernen!

Wer bist du? 

Ich bin Peshy. Ich bin 35 Jahre jung, komme ursprünglich aus München und habe vor 3 Jahren Hola Papaya Tattoo gegründet. Somit bin ich neben Unternehmerin auch Freundin, Frau, Künstlerin, Freigeist und leidenschaftliche Tattowiererin.

Wenn ich mich selbst beschreiben muss, dann verwende ich häufig den englischen Begriff „Multipassionate Person“. Ich bin ein kleiner Tausendsacher und liebe es mich mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigen zu dürfen. Handwerk, Malen, Musik, Tanzen, Menschen und natürlich tätowieren. Meine Leidenschaften sind soooo vielfältig. Ich bin super offen, rede gerne, sozial engagiert, reise viel und bin wahnsinnig kulturinteressiert. Deswegen habe ich auch einen Bachelor in Kulturwirtschaften und einen Master in Anthropologie. Ich war im Rahmen meines Studiums unter anderm drei Monaten in Indien und verbrachte drei Jahre in Lateinamerika. Beim Tätowieren kann ich fast alle meiner Leidenschaften miteinander verbinden, was diesen Beruf für mich zum absoluten Traumberuf macht. 

Und warum bist du so ein unsagbar wunderbarer Mensch? <3 

Wow… unsagbar wunderbar  … ; ) 

Ich glaube ich bin ein recht mitfühlender Mensch. Wenn man selbst einige Herausforderungen meistern musste, geht man einfühlsamer und warmherziger mit seinen Mitmenschen um. Man weiß ja nie, was der andere erlebt hat. Daher ist mir ein respektvolles, tolerantes Miteinander sehr wichtig. Ich glaub daher kommt auch meine „soziale Ader“ und der Wunsch im Kleinen das Große Ganze positiv zu verändern. Bezüglich Unternehmen, war einfach immer mein Anspruch selbst gut davon Leben zu können, aber auch anderen etwas zu geben. Deshalb unterstützen wir jedes Jahr ein Projekt, das uns am Herzen liegt, mit einem Spendentag und spenden am Ende des Jahres pro Tattoo einen Euro an den Guten Zweck. 

Wenn du dich selbst mit einer Farbe beschreiben müsstest, welche Farbe wäre es? 

Vielleicht ist Blau meine Lieblingsfarbe, weil ich selbst „blau bin“.  Blau ist für mich: facettenreich, bedeutet für mich Freiheit, unendliches Potenzial (The Sky is the limit), und wenn man aufs Meer bezieht beruhigend, erfrischend, lebendig. Aber blau ist auch irgendwie gefährlich, nicht umsonst sind Disneybösewichte wie Hardes aus Herkules in Blautönen gehalten. Blau deckt für mich wohl das gesamte Emotionsspektrum von happy bis tieftraurig ab.

Wie kamst du zum Tätowieren? 

Mit 28 hatte ich eine Twentysomething-Krise. Ich zweifelte an mir, meinem bisherigen Leben und allem was dazu gehört. Ich begann mich und mein Verhalten zu reflektieren. Was brauche ich, was will ich und wo will ich irgendwann im Leben mal ankommen. Ich zeichnete schon immer gern und wollte etwas neues lernen. So habe ich in Peru ein Studio angeschrieben und bekam prompt die Antwort, dass ich jederzeit willkommen sei. Es war so anders als hier in Deutschland/München. Eigentlich genau das Gegenteil. Ich will gerne meine Ziele erreichen, ohne nur an mich zu denken, Wissen weitergeben und helfen wann immer ich kann. Diese Form von „Female Empowerment“ hat mich vor allem nach meiner Entscheidung Tattowiererin zu werden beschäftigt. Wie kann ich das in meinem eigenen Studio umsetzen? Wie kann ich mit meinem eigenen Business etwas Gutes tun? Bei mir wird es immer Raum für kreative Ideen, offene herzliche Gespräche, Impulse und soziales Engagement geben. 

Deshalb habe ich, mit meinem mittlerweile gewachsenem Team, entschieden, dass wir jedes Jahr ein anderes Projekt unterstützen. Pro Tattoo spenden wir einen Euro in soziale, nachhaltige Projekte, die uns am Herzen liegen. 

Worauf legst du beim Tätowieren besonderen Wert? 

Naja klar, dasDas Visuelle und Technische steht natürlich im Vordergrund. Ich achte auf Platzierung, bespreche die Farbwahl ganz ausführlich, damit der Kunde weiß was er bekommt. Meine aller oberste Priorität hat allerdings, das Wohlbefinden meines Kunden:in. Ich möchte, dass es der Person gut geht trotz „Schmerz“, dass das Erlebnis „Tattoo“ die Person weiterbringt, in Form eines Energieschubs, eines Abschlusses oder einem inspirierenden Gesprächs.

Wieso ist Mental Health für dich ein Thema? 

Ich war in meinem Job supeIch war in meinem Job super unzufrieden. Körperlich und geistig war ich bereits an meinem Limit angelangt. Kurz vor dem Burnout zog ich die Reißleine und kümmerte mich um meine mentale Gesundheit. Denn, für mich hat Mental Health auch immer etwas mit meinem Traumberuf zu tun. Ich möchte mich auch beruflich selbst verwirklichen. 

Glaubst du das Tattoos ein Hilfsmittel für Mentale Gesundheit sein können? Wenn ja, warum? 

JA – Absolut. Ein Tattoo ist immer ein Versprechen an sich selbst: um etwas zu verbessern, eine Belohnung für ein Etappenziel, ein Reminder und Wegweiser, manchmal symbolisiert es einen Neuanfang oder einen Abschluss.

Wusstet ihr übrigens, dass Tattoos eigentlich aus der Akupunktur stammen? Bei Ötzi in den Bergen, haben Anthropologen insgesamt 61 Tattoos gefunden. Die Tattoos wurden an wichtigen Akupunkturpunkten platziert und sollen eine heilende Wirkung haben. Tattoos helfen also beim Heilen. In vielen Kulturen ist Tätowieren ein wichtiger Ritus. Tattoos haben also definitiv etwas mit Mentaler Gesundheit zu tun. – Peshy lacht – 

Viele haben sie, die „Mental Health Recovery Tattoos“. Handelt es sich dabei um Fluch und Segen zu gleich? Letzten Endes ist Recovery immer ein einziges Auf und Ab. Erinnert das Tattoo vielleicht irgendwann auch einmal daran, dass man gescheitert ist? 

Bei einigen meiner Kunden, durfte ich bereits Narben überstechen. Narben, die für eine Vergangenheit stehen, die vielleicht nicht toll war, aber sie hat dich dort hin gebracht, wo du jetzt stehst. Ich lasse aus einer schwierigen Vergangenheit ein schönes Bild entstehen, das ist für mich etwas ganz Besonderes. „Recovery Tattoos“ erinnern auch irgendwie immer ans Scheitern, das es einmal härter war. Aber Scheitern gehört erfahrungsgemäß leider einfach dazu. Deshalb bin ich ein großer Fan davon, dass man sich Tattoos erst deutlich nach einer Krise stechen lässt. Wenn man an einem guten, stabilen Punkt angelangt ist. Als positive Bestärkung für die weitere Zukunft.

Sollte sich jeder tätowieren lassen? 

NEIN.  Es ist gerade natürlich im Trend, aber es ist eine sehr persönliche sehr weitreichende Entscheidung.  Ein Tattoo ist etwas besonderes und es ist was schönes, jede Etappe hat ein gefühlt ihr eigenes Tattoo. Und die Anzahl wächst langsam mit der Lebenserfahrung der eigenen Geschichte. 

Zum Abschluss: dein schönster „Tattoomoment“? 

Peshy wird tätowiert: 

Zum Ende meiner Ausbildung in Peru tätowierte mich mein Lehrer am Rücken. Es war mein erstes eigenes Tattoo – mit 28 Jahren. Dieser Moment, kurz bevor er fertig war. Nach 3,5 Stunden. Dieses Wissen, ich hab’s gleich geschafft und es dann fertig zu sehen. Das war mein schönster Tattoomoment. 

Peshy tattowiert: 

Super schwierige Frage! Ich erlebe ständig schöne Momente, weil ich genau das tue, was ich liebe. Für mich immer ein Highligt: der Moment wenn die Person das Tattoo das erste mal fertig sieht. Diese Emotionale Komponente liebe ich sehr an meinem Job, Da ist alles dabei von Tränen, spontanen Umarmungen und Freudenschreien.